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Nadelstiche

Nadelstiche

Titel: Nadelstiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baden & Kenney
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komplizierter. Beide Seiten müssen die Begegnung wollen. Oft möchten die leiblichen Eltern nicht gefunden werden; sie haben sich von dem Baby gelöst, das sie aufgeben mussten, und sie möchten nicht, dass diese Wunde wieder aufbricht.«
    Sie spreizte die Hände im Schoß. »Und viele Kinder haben keinerlei Interesse daran, die Eltern zu finden, die sie weggegeben haben. Ihre Adoptiveltern sind die einzigen Eltern, die sie in ihrem Leben wollen. Wir müssen das respektieren, obwohl es sehr traurig ist, wenn die eine Seite sich eine Begegnung wünscht und die andere nicht.«
    »Und was machen Sie in solchen Fällen?«, fragte Jake.
    »Wir müssen den Wunsch der Seite berücksichtigen, die ungestört bleiben möchte. Wir liefern Informationen über Gesundheit und Wohlergehen, sofern sie beruhigend sind, aber sonst nichts.«
    »Und haben Menschen auf diese Entscheidung schon mal … äh … gewalttätig reagiert?«
    Mrs Martinette schüttelte den Kopf. »Was für eine seltsame Frage. Manchmal rollen Tränen, und es gibt Betteln und Flehen. Wenn ich das Gefühl habe, dass die Person ernste Probleme hat, den Gedanken zu akzeptieren, dass die Ursprungsfamilie nie wieder zusammengeführt werden wird, empfehle ich ein paar Therapeuten, mit denen wir zusammenarbeiten.«
    »Hmm.« Jake starrte nach unten auf den blassblauen Teppich unter seinen ausgelatschten Schuhen.
    »Dr. Rosen? Wäre das alles?«
    »Hä?« Jake wuchtete sich ruckartig aus seinem Sessel hoch. »Ja. Ja, ich glaube, schon. Danke, für Ihre Hilfe, Mrs Martinette.« Er schüttelte ihr die Hand und ging zur Tür.
    Er hatte den Türknauf schon umfasst, als er innehielt und sich umdrehte. »Ma’am, sind Sie denn gar nicht neugierig, wieso Ms Hogaarth ihr ganzes Geld an Family Builders vermacht hat?«
    Der ältere Frau befingerte ihre Perlenhalskette, ehe sie antwortete. »Ich habe schon vor Jahren aufgehört, nach Gründen zu suchen, Dr. Rosen. Früher wollte ich wissen, warum ein Vater seinen schreienden Säugling so fest schlägt, dass das Kind niemals wieder in der Lage sein wird, einen Ton von sich zu geben. Ich wollte wissen, warum eine Mutter ihre kleine Tochter in siedend heißes Wasser wirft, weil sie ins Bett gemacht hat. Bei solchen Dingen frage ich inzwischen nicht mehr nach dem Warum, und deshalb werde ich ganz bestimmt nicht nach dem Warum fragen, wenn endlich mal etwas Gutes geschieht.«

38
    Manny saß auf einer Parkbank südlich des Zoos im Central Park, Mycroft neben ihr zusammengerollt. Als abgebrühter New Yorker interessierte Mycroft sich kaum für das Leben ringsherum. Eichhörnchen und Tauben strafte er mit Verachtung; bei Joggern, Inlineskatern und Skateboardern hob er nicht mal den Kopf. Ein stattlicher Afghanenrüde provozierte ein leises Knurren; ein vorbeischlendernder Räucherstäbchenverkäufer wurde mit einem Niesen quittiert. Nur ein Kleinkind, das einen Hotdog verführerisch locker in der Hand hielt, veranlasste den Zwergpudel, sich aufzusetzen und sprungbereit auf seine Chance zu warten.
    Manny zog an seiner Leine. »Schlag dir das aus dem Kopf. Ich hab was Besseres für dich.« Sie sah auf die Uhr. »Ist gleich so weit.« Sie hatte die andere Hand in die Tasche geschoben, wo ihre Finger eine Dose mit Schinken-Leber-Streifen umschlossen. Mycroft nahm längst nicht jedes Leckerli. Er verschmähte Milk Bones, und bei Snausages rümpfte er bloß die Nase. Er aß zwar keine Glückskekse, hätte aber ansonsten fast alles für chinesische Fusion Cuisine getan. Es wäre allerdings unpraktisch gewesen, eine Handvoll Krabbenchips auf den Weg zu werfen, wenn ihre Beute in Sicht kam. Wie sein Frauchen war Mycroft jedoch mitunter ein Bündel von Widersprüchen. Und so war er ganz wild auf die stinknormalen Hotdogs der New Yorker Straßenverkäufer.
    Daher war Manny jetzt mit Bio-Leckerlis von Canine Gourmet und einem hungrigen, gelangweilten Mycroft bewaffnet, während sie nach Paco Ausschau hielt. Obwohl die Sonne schon längst nicht mehr hoch am Himmel stand, trug sie eine dunkle Brille, und sie hatte ihr rotes Haar unter einem Sonnenhut versteckt.
    Sie wusste, dass das Frisbee-Spiel, zu dem Paco sich jeden Sonntagnachmittag mit seinen Freunden im Park traf, inzwischen zu Ende sein musste. Da Paco am weitesten südlich wohnte, mussten seine Freunde sich bereits verabschiedet haben, wenn er diesen Punkt seines Heimwegs erreichte.
    Manny behielt die Biegung des Pfades im Auge. Da schoben zwei schwarze Frauen Kinderwagen mit weißen Babys

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