Nadelstiche
kickte ein paar forensische Zeitschriften beiseite. »Die meisten Messies lassen wenigstens noch ein paar begehbare Wege frei, um von einem Zimmer ins andere zu kommen.«
»Wie langweilig.« Sam hatte einen Teil der Times durchgelesen und warf ihn über die Schulter.
Manny wollte ihn schon aufheben, bremste sich aber. »Du willst mich provozieren.«
»Keineswegs, gute Frau. Wir haben nur zwei unterschiedliche Haltungen in Sachen Hausarbeit.« Sam machte es sich auf der Couch bequem und griff nach einem anderen Teil der Zeitung. »Ich werde nie ein Saubermann. Ist doch die reinste Sisyphusarbeit – da wuchtest du den Stein Tag für Tag den Berg rauf, und dann rollt er gleich wieder runter. Ich bevorzuge das Verfahren, mit dem Herkules den Augiasstall ausgemistet hat. Abwarten, bis es richtig schlimm wird, dann einen nahe gelegenen Fluss umleiten und alles mit einem Rutsch wegspülen.«
»Und für wann steht dieses Wunder in deinem Terminkalender, Herkules?« Jake kam aus der Küche und brachte Pappteller mit vietnamesischen Frühlingsrollen herein.
»Da sämtliche Porzellanteller unbrauchbar sind, müssen wir uns auf saucenfreie Nahrung beschränken.«
»Nahrung. Der große Motivator.« Manny nahm ihre Frühlingsrolle und ließ sich in einen Polstersessel plumpsen. »Erzähl noch mal schnell, was Pasquarelli gesagt hat, nachdem er mit dem FBI geredet hat.«
Manny hatte der Polizei ihr gesamtes Gespräch mit Paco geschildert. Detective Pasquarelli hatte die Informationen höchst interessiert aufgenommen, und natürlich wollte er Paco persönlich vernehmen. Doch die Beteiligung des FBI bei den Ermittlungen hatte seine Autonomie eingeschränkt. Der Diplomatenstatus der Sandovals zwang ihn, sich vom FBI eine Genehmigung für weitere Maßnahmen einzuholen. Und wie Manny befürchtet hatte, waren sie nicht sehr entgegenkommend gewesen.
»Laut Vito fand der FBIler, mit dem er direkt zusammenarbeitet, diese Entwicklung genauso spektakulär wie er. Aber der Mann steht ziemlich weit unten in der Hackordnung. Er musste erst weiter oben nachfragen. Sie warten noch.«
»Das ist doch grotesk!«, sagte Manny. »Diplomatische Immunität ist eine Höflichkeit, die nicht unantastbar sein sollte. In einem derart gravierenden Fall müsste es selbstverständlich sein, dass die Sandovals unter Druck gesetzt werden, damit sie kooperieren.«
»Vielleicht klappt’s ja morgen«, sagte Jake.
»Darauf würde ich mich nicht verlassen.« Manny lehnte sich in ihrem Sessel zurück und schoss prompt wieder hoch. »Aua! Das Ding ist vermint.« Sie zog die Kissen weg. »Um Himmels willen, da steckt ein Skalpell drin!«
»Tut mir leid, Schatz.« Jake klopfte auf den freien Platz neben sich auf dem Zweisitzer. »Komm, setz dich zu mir.«
Manny beäugte das Spinngewebe, das sich von der Stehlampe bis zu dem kleinen Sofa zog. »Nein, danke. Ich mach mir lieber hier drüben ein bisschen Platz.«
Sie schob eine Kiste mit alten Objektträgern in die Ecke. »Das ist das Problem, wenn man ein großes Haus hat. Je mehr Platz zur Verfügung steht, desto mehr Kram sammelt sich an. Wisst ihr, als ich zum Club Epoch rüber nach Hoboken gefahren bin, hab ich ernsthaft überlegt, in so ein großes Loft zu ziehen, in einer von diesen umgebauten Fabriken. Aber ich fürchte, dann würde ich am Ende wahrscheinlich genauso viel Gerümpel horten wie ihr.«
»Ich finde, du solltest das ernsthaft in Erwägung ziehen, Manny«, sagte Sam. »Überleg doch nur mal, wie enorm du deinen Schuhbestand erweitern könntest. Aber wenn du kaufen willst, dann jetzt. Es gibt kaum noch Fabriken, die umgebaut werden können.«
»Die jetzt noch übrig sind, sind die reinsten Sondermülldeponien«, warf Jake ein. »Du willst dein Schuhwerk doch wohl keiner gefährlichen Bestrahlung aussetzen. Ein Einzimmerapartment in Manhattan ist viel gesünder.«
»Deine Sorge um mein Wohlergehen ist rührend.« Manny fing an, Zeitungen vom Fenstersitz zu hieven. »Könnten wir nicht wenigstens ein paar Ausgaben der Times wegschmeißen? Die sind schon Wochen alt.«
Sie hielt inne, um eine Überschrift zu lesen. »›Bekannter Arzt Opfer des Vampirs?‹ – das war nach dem Tod von Dr. Fortes. ›Vampirfahndung: Versteck in Brooklyn gefunden*, Zusammenhang zwischen Vampir und Bombenanschlag in Hoboken vermutet*, Mysteriöser Angreifer überfällt Operndiva*. Auweia, der Vampir hat fast von Anfang an Schlagzeilen gemacht. Der Berg hier ist das reinste archäologische Archiv.«
Jake, dem
Weitere Kostenlose Bücher