Nadelstiche
sich im Bett herum und blinzelte ins Zimmer. Die Ziffern 5:09 glühten grün am Timer ihrer Kaffeemaschine. In Anbetracht dessen, wie übermüdet sie gewesen war, als sie von Jake nach Hause kam, wunderte sie sich, dass sie aufgewacht war, noch ehe die eingebaute Mühle um Punkt sechs anfing, French-Roast-Kaffeebohnen mit ohrenbetäubendem Lärm zu pulverisieren.
Sie war versucht gewesen, die Nacht bei Jake zu verbringen. Der sich erhärtende Verdacht, dass sie bloß eine Schachfigur in dem undurchschaubaren Komplott des Vampirs war, hatte sie nervös gemacht, und sie wäre gern nicht allein gewesen. Aber sie hatte um halb neun eine Anhörung im Fall Greenfield und war nicht gewillt, dazu in ihrem Outfit vom Vortag zu erscheinen. Wenn sie bei Jake übernachtete, lebte sie aus ihrer Handtasche, schlief in einem T -Shirt mit dem Aufdruck FORENSISCHE PATHOLOGIE GEHT UNTER DIE HAUT und kehrte morgens in ihre Wohnung zurück, um sich umzuziehen. Sie hatte nicht die Absicht, von ihrer Garderobe irgendetwas in sein Haus umzulagern. Sie wollte nicht, dass ihre Kaschmir- und Seidenstücke den Geruch von Formaldehyd annahmen, und außerdem führten sie nicht so eine Art von Beziehung. Sie war so weit gegangen, französische handgemachte Rosenblüten- und Jasminseife für sein Bad zu kaufen, allerdings nur zum Schutz gegen die roten Pusteln, die sie bekommen hatte, weil sie beim Duschen seine grauenhaften Gratis-Miniseifen aus irgendwelchen Hotels benutzt hatte. Aber häuslicher würde sie keinesfalls werden.
Manny reckte sich und schloss die Augen. Sie würde wohl kaum noch mal einschlafen, aber sie konnte sich noch ein wenig im Bett kuscheln, bis die Kaffeemaschine loslegte. Der schwache Lavendelduft ihrer Bettwäsche beruhigte sie, und sie döste vor sich hin, herrlich losgelöst von den Problemen des anstehenden Tages.
Ein Laut, irgendwo in der Wohnung.
Manny schoss senkrecht in die Höhe. Da war es wieder: das unverkennbare Geräusch eines würgenden Pudels. Jetzt begriff sie, dass sie deshalb so ungewöhnlich früh aufgewacht war.
Sie schaltete das Licht an. Mycroft lag nicht am Fußende des Bettes. Ein schlechtes Zeichen. Immer wenn er krank war, verdrückte er sich in eine Ecke ihres Wandschranks. Als er sich das letzte Mal den Magen verdorben hatte, war ein sechshundert Dollar teures Paar Jimmy Choos auf Nimmerwiedersehen in der Mülltonne gelandet.
»Mycroft, Schätzchen, was ist denn los?« Manny öffnete die Schranktür und spähte unter die ordentlich aufgehängten Kostüme und Blusen. Und tatsächlich, in der äußersten Ecke, hinter den Handtaschen vom Vorjahr und ihren Ugg Boots entdeckte sie ein kleines rotes Wollknäuel. Manny fiel auf die Knie, kroch vorwärts und streckte die Hand aus. »Komm her, Baby. Lass Frauchen mal sehen.«
Mycroft jaulte auf, als sie eine Hand unter seinen zitternden Körper schob und ihn zu sich heranzog. Als sie ihn ins Licht hob, krampfte sich Mannys Herz zusammen. Das war etwas anderes als »Ich hätte nicht so viel Mozzarella essen sollen«. Mycrofts Augen waren glasig, sein Bauch angeschwollen, und sein Atem ging in kurzen, keuchenden Stößen.
Um Gottes willen, was hatte er gestern gefressen? War er im Park auf Rattengift gestoßen, als sie ihm die Gourmet-Leckerlis hingeworfen hatte, um Paco abzufangen? Oder war die Frühlingsrolle, die er bei Jake in sich hineingeschlungen hatte, die Ursache? Gab es in vietnamesischem Essen irgendeine Zutat, die für Hunde tödlich war? Zitronengras? Koriander?
Was auch immer, jedenfalls war Mycroft ernsthaft krank. Panik stieg in Manny auf, und ihr Verstand setzte aus. Was sollte sie tun, die Notrufnummer wählen? An die Tür ihres Nachbarn hämmern, der Kardiologe war?
Sie atmete tief durch. Wenn sie hysterisch wurde, konnte sie Mycroft erst recht nicht helfen. Sie hatte Dr. Costellos Nummer als Kurzwahl gespeichert. Der Tierarzt konnte ihr bestimmt sagen, welche Maßnahmen sie gleich jetzt und hier ergreifen konnte, ehe sie Mycroft zu ihm brachte.
Sie hechtete nach ihrem BlackBerry und wartete dann ungeduldig, bis der Anrufbeantworter der Praxis ansprang und seine Ansage herunterleierte. »Sie rufen außerhalb unserer Sprechstunde an. Wochentags erreichen Sie uns von …« Mannys Herz pochte so heftig, dass sie kaum etwas hören konnte. Mach schon, mach schon. Endlich: »In dringenden Notfällen wählen Sie bitte die Rufnummer 212-555-3680. Dr. Costello meldet sich dann innerhalb von zehn Minuten bei Ihnen.«
Manny wählte
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