Nächstenliebe: Thriller (German Edition)
das Leben nehmen würde. Damit er sieht, dass mein Leben ihm gilt, aber meine Liebe meiner Frau und er mich wieder zu ihr lässt. Ich vermisse sie so unendlich …“, auf seinen beiden Wangen liefen Tränen herunter. Sein altes und weises Gesicht wirkte auf einmal sehr zerbrechlich.
Nick verurteilte ihn nicht für seinen Selbstmordversuch. Er konnte sich gut vorstellen, dass John nicht mehr Herr seines Schmerzes war und im Tod die Erlösung suchte. Das muss wahre Liebe sein, dachte er.
Ein Mensch, der bereit war, das Kostbarste was er besaß, sein Leben, herzugeben, ohne Zögern, für einen anderen Menschen. Diese Liebe, war sicherlich eine nach der sich alle Menschen sehnten. Denn sie war bedingungs- und grenzenlos.
„Sie brauchen sich nicht schämen. Es zeigt, wie sehr Sie Ihre Frau lieben und vermissen. Es muss eine beneidenswerte Liebe sein“, sagte Nick und benutzte bewusst das Präsens, denn Nick glaubte, dass für John diese Liebe noch existent war, solange er lebte und auch darüber hinaus.
„Und Gott, wird Gott verzeihen, dass ich versuchte mir das Leben zu nehmen? Denken Sie nicht, dass es Gottes Zorn war, der dies vereitelte? Selbstmord an einer heiligen Stätte! Sollte es einen Himmel geben, dann wird er mich gewiss nicht mehr einlassen. Und ich werde meiner Frau nie mehr wieder begegnen. Welch Narr war ich? Jetzt ist alles verloren.“
Nick sah die Verzweiflung in seinen Augen. Sah, dass dieser höchst gläubige Mann unsicher war und nicht mehr in der Lage schien, klar zu denken. Esther hätte die richtigen Worte für ihn gehabt, dachte Nick.
Aber sie war nicht hier.
„Ich bin kein gläubiger Mensch, aber Jerusalem hat mich vor allem eins gelehrt. Dass, wenn es einen Gott gibt, dann einen der Vergebung und Liebe. Und dieser Gott würde niemals seine Liebe jemandem abschlagen, der um sie bittet. Beten Sie zu ihm und finden Sie heraus, was Gott denkt. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Einsamkeit den Schmerz in Ihrem Herzen hat unendlich groß werden lassen. Lassen Sie diesen nicht über sie siegen“, sagte Nick und war selber über den Tiefgang seiner Worte überrascht. Ob er selbst eine Wandlung durchmachte, vom Snob zum Menschenfreund? Er musste kurz in sich hinein lächeln und schämte sich augenblicklich dafür, da ihm dies in der jetzigen Situation alles andere als angebracht erschien.
John schaute ihn verwundert an. Anscheinend hatten die Worte etwas in John geweckt.
„Sie sind ein guter Mensch, Nick. Ich kenne Sie kaum und dennoch sprechen Sie mir Mut zu. Sie mögen Recht haben, aber es ist schwer gegen diese Einsamkeit anzukämpfen. Sie müssen wissen, meine Frau war mein ganzer Rückhalt, sie wäre mit dieser Einsamkeit besser klar gekommen. Eine alte Frau sagte mir: „Die Einsamkeit lässt Gedanken wachsen, die in einem guten Herzen oft fehl am Platze sind.“ Aber sie beide haben leicht reden, Ihnen ist nicht das gleiche Schicksal zuteil geworden.“
Nick erschrak.
„Alte Frau, welche alte Frau hat Ihnen das gesagt, wo?“
„Es war im Garten Getsemane.“
Im Garten Getsemane, konnte dies ein Zufall sein? Nick wollte nicht an Zufälle glauben.
„Darf ich Sie fragen, worüber sie sich unterhalten haben?“
„Es war kein langes Gespräch. Wieso fragen Sie?“
Nick überlegte kurz, sollte er von Esther erzählen? Konnte dies ein Leben retten?
„Nun, ich habe auch eine alte Frau kennengelernt in Jerusalem, die Tante einer Geschäftskollegin. Eine sehr weise Frau. Klein, alt und voller Mitgefühl. Und sehr gläubig.“
„Sie war auch klein und alt, wahrscheinlich auch gläubig, da sie dort zum Beten war, aber das sagt doch nicht, dass es sich in beiden Fällen um die gleiche alte Frau handeln muss. Vor allem nicht in Jerusalem.“
Eigentlich hatte John Recht, aber diese Worte sprachen für Esther.
„Mag sein, aber hat sie vielleicht etwas von Jesus erwähnt?“
„Hm … lassen Sie mich nachdenken. Ja, sie sagte, dass Jesus nicht an den Olivenbäumen gebetet hätte, was die meisten Touristen denken, sondern an dem Strauch, wo ich betete.“
Nun bestand für Nick kein Zweifel mehr. Es musste Esther gewesen sein. Was sollte er tun?
„Ich denke es ist die gleiche Frau. Sehen Sie mich an, ich bin Atheist. Vor einigen Tagen hätte ich über Dinge, die ich jetzt sage und denke gelacht und mich nicht ernst genommen, aber jetzt? Ihr Name ist Esther. Eine Frau mit einer besonderen Begabung. Wenn sie mit einem spricht, vergisst man alles um sich. Man fühlt sich, als
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