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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schleifte dann den Ohnmächtigen zum Kamel. Unter Aufbietung aller Kraft schob sie den schlaffen Körper in den Sattel, band die Hände am Sattelknauf fest und die Beine an den Sattelgurten, schlang einen Strick um den Leib, zurrte ihn hinten am Gepäck fest und band so Hassan auf das Kamel, zur Bewegungslosigkeit verurteilt, aber sicher vor einem Absturz in den Wüstensand.
    Dann ließ sie das Kamel wieder aufstehen und hieb mit ihrer Peitsche ein paarmal mit aller Wucht dem Tier über die Kruppe.
    »Lauf, du Satan!« schrie sie dabei. »Los! Lauf! Mach dich davon! Zurück nach Bir Assi! Du kennst den Weg ja … hei – hei –«
    Das weiße Kamel hob den Kopf und schrie. Dann warf es die Beine von sich und galoppierte den Weg zurück, den es gekommen war. Auf seinem Rücken schwankte die Gestalt Hassans, in den Stricken sicher hängend.
    Zweimal blieb das Tier stehen und blickte zurück. Da hob Aisha jedesmal die Peitsche, und das Kamel wandte sich ab und rannte weiter. Schließlich waren Tier und Reiter nur noch ein Punkt gegen den Horizont, bis auch dieser Punkt aufgesaugt wurde und sich in Nichts auflöste.
    Zwei Tage später umkreiste eine Patrouille des Kamelreiterkorps einen einzelnen Reiter und brachte ein wild rennendes Kamel zum Stehen. Mit Entsetzen starrten sie auf den gefesselten, halb verdursteten, kaum noch seiner Sinne mächtigen Mann. Sie schnallten ihn vom Sattel, flößten ihm Wasser ein und warteten darauf, daß er gleich aufspringen und sich wie ein Irrer benehmen würde. Wer so wie dieser Mann aus der Wüste kam, mußte wahnsinnig geworden sein.
    Hassan lag langgestreckt unter einem Sonnendach und trank seinen vierten Becher Wasser. Das Wasser lief ihm über das Kinn, den Hals und die Brust, und es war ein wunderbares Gefühl, wieder schlucken zu können und Kühle zu spüren.
    »Sie sind da draußen …«, sagte er schwach, als ein Offizier ihn fragte, woher er komme. »Sie sind kurz vor der Grenze. Der deutsche Forscher … und Aisha … und die weiße Frau … Ihr … ihr müßt euch beeilen, wenn ihr sie noch bekommen wollt.«
    Dann fiel Hassan wieder in Bewußtlosigkeit.
    Aber er lächelte in der Ohnmacht.
    Jetzt werden sie die Grenze nie erreichen, war sein letzter Gedanke.
    *
    Nachdem Aisha mit kalter Grausamkeit und tödlicher Konsequenz Hassan auf den Rückweg geschickt hatte und das rasende Kamel von Sand, Hitze und flimmernder Luft aufgesaugt worden war, ging sie zurück zum Lager.
    Lore Hollerau saß neben dem besinnungslosen, fiebernden Brockmann und kühlte ihm die Stirn mit einem abgerissenen Handtuchstück. Ihre tastenden Hände glitten über sein heißes Gesicht, über seine eingefallenen Wangen, über die aufgesprungenen Lippen. Noch nie hatte sie das Schreckliche der Blindheit mehr gefühlt als in dieser Stunde. Wehrlos hockte sie neben Alf, konnte ihn nur ertasten und war verurteilt, mit sich geschehen zu lassen, was die Umwelt, was Aisha jetzt beschloß.
    »Ich habe Serum«, sagte Aisha und setzte sich neben Lore in den Sand. »Ich werde es ihm einspritzen … aber ob es noch hilft?«
    »Können Sie denn überhaupt injizieren?«
    »Ja. Ich habe es gelernt.«
    »Gelernt?« Lores Kopf hob sich verwundert. »Aisha, wer sind Sie? Sie sind kein einfaches Fellachenmädchen.«
    »Ist das so wichtig, wer ich bin?« Aisha knipste die Spitze einer der Serumampullen ab und zog die wasserhelle Flüssigkeit in den Glaskörper der Spritze. »Ich weiß nur eins: Ich habe keine weiße Haut.«
    »Sie sagen es, als sei es ein Fluch.«
    »Es ist ein Fluch. Die Welt gehört den Weißen … wenigstens tun sie immer so. In ihrem Blick ist Mitleid oder Abscheu, Minderwertigkeitsdenken oder Abwehr, wenn sie uns Farbige ansehen. Warum vergessen sie, daß auch wir Menschen sind?«
    »Sie lieben Alf, nicht wahr?«
    Aisha schwieg. Sie legte den Arm Brockmanns auf ihre Knie, band den Oberarm ab, staute das Blut in der Vene und tastete mit dem Zeigefinger über die blaßblau durch die lederne Haut schimmernde Ader. Dann stach sie flach zu, zog etwas Blut aus der Vene, sah, daß die Nadel richtig saß, und drückte darauf langsam das Serum in die Blutbahn. Mit einem schnellen Ruck zog sie die Spritzennadel wieder heraus und drückte ein kleines Wattebäuschchen auf den Einstich.
    »Sie antworten nicht«, sagte Lore Hollerau. Ihre toten Augen starrten in den Gluthimmel.
    »Ich habe das Serum injiziert.«
    »Sie lieben Alf?« fragte Lore beharrlich. »Sagen Sie ja, Aisha … ich habe es bemerkt … als ich

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