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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gerrath aus Lübeck in Warendorf eintraf, wurde Jörgi von einer Sonderkommission der Kriminalpolizei Münster verhört. Man hatte ihn am frühen Morgen aus Sassenberg von dem Polizeiposten abgeholt und zunächst beim Pfarrer von Warendorf in Verwahrung gegeben. Dort schlief er erst ein paar Stunden, trank dann zwei Tassen Kakao, aß drei dick mit westfälischem Knochenschinken belegte Brote und wurde von dem herbeigerufenen Arzt untersucht.
    »Der Junge muß ins Krankenhaus«, sagte der Arzt später zum Pfarrer. »Ob er eine Lungenentzündung bekommt, ist noch nicht sicher, aber seine Blinddarmnarbe macht mir Sorgen. Mir ist überhaupt unverständlich, wie der Junge schon aus einer Klinik entlassen werden konnte. Ich habe ihn gefragt, und er sagte mir da etwas von einem Arzt, einer Schwester und einem Zimmer mit Gittern. Von der Operation selbst weiß er gar nichts; er sei einmal aufgewacht, und da sei sein Bauch aufgeschnitten gewesen.«
    »Wir werden noch vieles hören und sehen«, sagte der Pfarrer ahnungsvoll. »Was mir der kleine Jörgi in der Nacht schon alles erzählt hat … wenn alles wahr ist und nicht nur eine übersteigerte kindliche Phantasie … lieber Doktor, dann sitzen wir mit dem Hintern in einem Wespennest.«
    Die Sonderkommission aus Münster, gebildet nach einer telefonischen Rückfrage in Lübeck und bei der politischen Polizei in Hamburg, nahm die Ermittlungen sofort auf.
    Es war ein Suchen im Dunkel, ein Luftschnappen im luftleeren Raum.
    Jörgi erzählte, satt und Bonbons lutschend, von dem Haus mit dem verwilderten Garten, von einem Mann, der gut bekannt war mit Menschenfressern, von einem Onkel Doktor.
    »Es war ganz schön da, bis ich Bauchschmerzen bekam«, sagte er und schielte auf die Tafel Nußschokolade, die ein Beamter mitgebracht hatte. »Und daß ich Omi nicht mehr sah und auch Onkel Konrad, und Mutti war auch weg … alle waren weg … ich habe oft geweint. Und immer hat mir der Mann versprochen, einen Film zu zeigen aus Afrika. Da, wo mein Vati ist und Raketen baut.«
    »Wo ist das Haus?« fragte der Kommissar geduldig.
    Jörgi hob die Schultern. »Ich weiß nicht.«
    »Wie sah es aus?«
    »Alt.«
    »War ein Fluß in der Nähe?«
    »Ja.«
    »Mit Schiffen?«
    »Viele große Schiffe. Nachts tuteten sie immer. Ich konnte erst gar nicht schlafen.«
    »Hast du Namen gehört. Überleg mal, Jörgi. Wie haben sie sich angeredet?«
    »Sie sprachen immer in einer fremden Sprache. Ganz komisch hat das geklungen. Wie die Indianer im Fernsehen.«
    Gegen Mittag trafen die Leiter der politischen Polizei und ein Regierungsrat des Amtes für Verfassungsschutz in Warendorf ein. Auch ihnen erzählte Jörgi das gleiche.
    »Der Mann war immer braun im Gesicht. Alle, die in das Haus kamen, waren so braun. Sie haben mir Schokolade mitgebracht. Ich weiß aber nicht, warum sie mich nicht mehr zu Omi und Onkel Konrad gelassen haben. Sie haben mich abends immer eingeschlossen.«
    »Die Lage ist völlig klar«, sagte der Regierungsrat nach den Verhören. »Der Junge war als Druckmittel gedacht. Wie Sie schon erwähnten, Herr Kollege … Frau Brockmann fuhr trotzdem nach Ägypten weiter, und damit wurde er uninteressant und wieder ausgesetzt. Operiert wurde der Kleine in diesem Haus? Das ist fast unvorstellbar. Nun – wo liegt dieses Haus? In Lübeck, in Hamburg, irgendwo an der Küste, an einem Kanal, wo? Wie kommt der Junge ausgerechnet nach Sassenberg? Wenn man ihn loswerden will, gibt es andere Orte. Die Küste zum Beispiel. Aber mitten im Westfälischen? Das ist doch zu blöd. Ich habe den Eindruck, daß unsere Gegenspieler einen fatalen Sinn für Humor haben … und eine gefährliche Sicherheit. Aus dem Jungen ist jedenfalls nichts mehr herauszuholen.«
    Mittags traf Konrad Gerrath ein. Sein großer Citroën war staubbedeckt bis zum Dach. Er war über die Autobahn und über die Landstraßen gerast wie ein Irrer. In Lübeck hatte Oma Berta Koller wieder einen Herzanfall bekommen, diesmal vor Freude. Den Rat des Arztes, ins Bett zu gehen, ignorierte sie. Sie saß im Sessel, trank starken Kaffee und beschäftigte den Arzt mit Erzählungen aus dem Leben Jörgis.
    »Ein lieber Junge!« rief sie immer wieder. »Ein braver Junge! Ein mutiger Junge! Und operiert haben sie ihn. Das arme Würmchen. Ich werde mit ihm sofort wegfahren, zur Kur, in ein Bad. Er soll die schrecklichen Erlebnisse so schnell wie möglich vergessen.«
    Und so geschah es auch.
    Nur einen Tag war Jörgi noch in Lübeck, dann verreiste

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