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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Zimmers, bewegungslos und unhörbar. Nur das Weiße seiner Augen leuchtete im Widerschein der Tischlampe, die als einzige Lichtquelle im Zimmer brannte.
    Um halb sieben weckte Oberfeldwebel Franz seinen Hauptmann. »Der Hubschrauber ist da!«
    Brahms sah auf seine Uhr und rieb sich die Augen.
    »Jetzt schon? Was fällt denen denn ein? Zwanzig Jahre lang kämpfe ich gegen den Schlendrian, und auf einmal, gerade jetzt, werden sie überpünktlich.« Er reckte sich und sah zu Baraf, dem schwarzen Standbild in der Ecke. »Wer fliegt die Mücke?«
    »Ein junger Sergeant, Herr Hauptmann.«
    »Hast du Eberhard schon geweckt?«
    Eberhard Haller war der Pilot, der den Hubschrauber fliegen sollte. Früher war er als Oberfeldwebel Flugzeugführer einer Jagdmaschine gewesen. Zwölf Abschüsse über Afrika. In der Staffel des schon legendären Hauptmann Marseille.
    »Er klettert bereits in die Kombination, Herr Hauptmann.«
    »Baraf.«
    »Herr –«
    Der Riesenschatten wurde beweglich.
    »Geh hinaus zum Hubschrauber und erkläre dem Sergeanten, daß er hierbleiben muß.«
    Baraf grinste. Lautlos verließ er das Zimmer. Oberfeldwebel Franz hob die Schultern, als habe ihn ein eisiger Hauch angeweht. »Mit diesem Baraf möchte ich außerdienstlich nichts zu tun haben, Chef«, sagte er. »Hat er überhaupt ein Hirn?«
    »Ich weiß nicht.« Brahms schnallte sich seinen Gürtel mit der Pistole um. »Aber er hat ein Herz und das schlägt für mich. Mehr verlange ich nicht von ihm.«
    Baraf ›sprach‹ mit dem Sergeanten. Kurz darauf trug man den jungen Flieger ins Haus, legte ihm Handschellen an Händen und Füßen an und schloß ihn in einem Kellerraum ein. Dann stiegen Baraf, Birgit, Zuraida, der Pilot, Oberfeldwebel Franz und vier andere Männer in den großen Transporthubschrauber der ägyptischen Armee. Als letzter folgte Brahms. Er umfaßte noch einmal mit einem langen Blick die Villa ›Roseneck‹, den Garten, die weißen Mauern, das Schwimmbecken, den in der Ferne im Morgenlicht silbern schimmernden Nil. Ein Drittel Menschenalter ließ er zurück. Jahre der Zufriedenheit, aber auch Jahre des heimlichen, quälenden Heimwehs. Er nahm Abschied von einem Abschnitt seines Lebens, der gefährlich, aber auch schön gewesen war.
    Dann stieg er ein und setzte sich stumm, in sich gekehrt, neben Birgit in die gläserne Kanzel des Hubschraubers. Birgit legte ihre Hand auf sein Knie.
    »Es fällt Ihnen schwer, nicht wahr?«
    Brahms nickte. Dann straffte er sich und stieß dem Piloten die Faust in den Rücken. »Hau ab, Eberhard! Raus aus diesem Land! Oh, verdammt noch mal, darauf habe ich zwanzig Jahre gewartet! Wenn dieses dämliche Heimweh nach Deutschland nicht wäre!«
    Um neun Uhr vormittags durchbrach mit heulendem Motor ein schwerfälliger, fensterloser Omnibus die Grenzbefestigungen bei Bardia es Sollum, überwalzte die Schlagbäume und setzte seinen Weg trotz wilden Beschusses der ägyptischen Soldaten fort. Auf dem Boden des Busses lagen die deutschen Männer. Sie hörten, wie die Kugeln gegen die Panzerplatten schlugen und als Querschläger durch die Luft kreischten. Hinter dem Steuer hockte der deutsche Obergefreite Peter Meyer IV und gab Vollgas. Handgranaten explodierten hinter dem Fahrzeug und alle, die auf dem Boden lagen, hatten nur einen Gedanken: Hoffentlich trifft keiner die Reifen. Hoffentlich halten wir durch. Nur wenige Meter noch durch das Niemandsland … fahr, Peter, fahr.
    Um neun Uhr überflog auch, von der fassungslosen Bodenabwehr deutlich beobachtet und auf den Radarschirmen verfolgt, ein großer Transporthubschrauber der ägyptischen Armee die Grenze nach Libyen. Ehe die Vierlingsflak ihre Rohre emporgekurbelt hatte und der Feuerbefehl erteilt werden konnte, war die erdbraun gestrichene Libelle schon auf libyschem Gebiet und drehte zur Küste ab. Völlig sinnlos feuerte die Flak eine Salve in den verlassenen ägyptischen Himmel. Dann tickten die Funker die ungeheuerliche Meldung an das Armeekommando nach Kairo.
    Ein Hubschrauber ist nach Libyen. Ein Omnibus hat mit Gewalt die Grenze durchbrochen. Ein vollbesetzter Bus.
    Hauptmann Brahms sah auf seine Uhr, als zwei libysche Hubschrauber ihnen entgegenkamen und ihnen per Funk befahlen, sofort zu landen.
    »9 Uhr 17«, sagte er. »Der Durchbruch ist gelungen. Wir werden jetzt um politisches Asyl nachsuchen.«
    Der dröhnende Lärm der rotierenden Flügel ließ nach. Die Erde kam näher. Sie landeten.
    Hatten sie die Freiheit erreicht?

*
    Noch bevor Konrad

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