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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Geröllwüste eine zusammengeballte, dunkle Masse. Verglimmende Feuer umgaben sie in einem Kreis, vereinzelte Zelte standen in der grellen Sonne.
    »Das sind sie!« brüllte Brahms und hieb vor Freude mit den Fäusten gegen die Glaskanzel. »Das sind sie! Junge! Junge!« Brahms preßte das Gesicht an das Glas und starrte hinunter. »Sie sitzen eng zusammen, wie Schmeißfliegen auf einem Aas. Los, Junge, runter! Runter mit dem Kasten! Über die Köpfe weg und dann gelandet!« Er griff nach seiner Maschinenpistole und den alten, gut erhaltenen deutschen Stielhandgranaten. »Denen werden wir zeigen, welcher Zauber aus der Luft kommt.«
    Der Fieseler Storch setzte zu einer Art Sturzflug an. Unten in der Wüste starrten siebzig schwarze Köpfe zu ihnen hinauf. Hundertvierzig Augen warteten auf ein Wunder.
    Und plötzlich begann jemand zu singen, und alle fielen ein wie in einen Choral.
    Über die singenden Sklaven hinweg donnerte der Riesenvogel mit den Balkenkreuzen und landete in einer Wolke aus Staub und wirbelnden Steinen.
    Hauptmann Brahms warf sich mit einem weiten Hechtsprung sofort in den Sand, denn von einem der Zelte her schlug ihm Gewehrfeuer entgegen. Auch der Pilot sprang aus seiner Kabine und robbte zu Brahms. Hinter einem Steinbuckel lagen sie dann in Deckung und beobachteten das Sklavenlager.
    Bis auf die singenden, aneinandergefesselten Neger und Negerinnen und die wenigen Zelte, hinter denen ein einzelnes Gewehr auf das Flugzeug schoß, schien das Lager verlassen zu sein. Kein Kamel, kein Fahrzeug, keine weißgekleideten Araber.
    »Merkwürdig!« rief Brahms seinem Piloten ins Ohr. »Das sieht aus, als seien sie alle unterwegs! Nur ein Mann ist zurückgeblieben! Verflucht noch mal, wo sind bloß die anderen?«
    Es war die Stunde, in der einige Kilometer weiter östlich der Neger Dumba von den Nilpferdpeitschen zerfleischt wurde und Boran-Bei Allah um Hilfe anflehte.
    Brahms legte seine Maschinenpistole auf die Steine und wartete, bis hinter einem der Zelte hervor wieder der Pulverdampf eines Abschusses in die heiße Luft schwebte. Dann drückte er ab und hörte einen hellen Aufschrei.
    »Los!« schrie Brahms, sprang auf und stürmte auf das Lager zu.
    Hinter dem beschossenen Zelt hockte ein Araber und hielt sich mit beiden Händen die Schulter fest. Blut rann zwischen seinen Fingern hervor und färbte die weiße Dschellaba mit häßlichen roten Streifen. Als er die beiden Weißen heranrennen sah, hob er eine der blutigen Hände als Zeichen der Aufgabe und gab seinem Gewehr einen Tritt, daß es meterweit in den Sand flog.
    »Brav, mein Sohn!« schrie Hauptmann Brahms und richtete sein MP auf den Kopf des erschrockenen Arabers. »Wo ist die weiße Frau?« Er rief es auf arabisch und gab seinen Worten ein wenig Nachdruck, indem er den Lauf seiner Waffe gegen die Brust des zitternden Wächters drückte. »Los, rede! Wo ist die weiße Frau?«
    »Weg, o Herr. In der Nacht.«
    »So eine Scheiße!« brüllte Brahms. »Man sollte Frauen mit solchem Tatendrang in Ketten legen. Flüchtet aus einer Sklavenkarawane in die unbekannte Wildnis.«
    Trotzdem er wütend war, schwang doch eine große Hochachtung in seinen Worten mit. So ein Weib, dachte er. Sie hat mehr Mut als eine Handvoll Männer. Sie gibt einfach nicht auf, sie resigniert nicht, wie es Frauen oft in ausweglosen Situationen tun. Sie senkt den Kopf und stürmt vorwärts, wie ein Stier in der Arena. Ein Teufelsweib!
    »Was nun?« fragte der Pilot. Er starrte hinüber zu dem schwarzen Knäuel der singenden Sklaven. Die Mädchen waren meist nackt. Körper aus Ebenholz. Kunstvolle, herrliche Leiber. Dazwischen die jungen Männer. Muskulös, breitschultrig. Arbeitstiere.
    »Weitersuchen. Wenn Birgit in der Nacht geflüchtet ist, kann sie nicht weit gekommen sein. Nur weiß ich jetzt nicht, in welcher Richtung ich suchen soll!« Er beugte sich wieder zu dem verwundeten Wächter. »Wo sucht ihr jetzt?« schrie er ihn an.
    »Im Norden.« Der Araber schwankte. Der Blutverlust hatte ihn so sehr geschwächt, daß er kaum noch sitzen konnte. Brahms schob die Unterlippe vor. Im Norden. Irgendwo dort hinten in der Stein- und Geröllwüste.
    »Wir steigen sofort wieder auf«, sagte er zu dem Piloten. »Erst aber werde ich die armen Kerle erlösen.«
    Er ging zu dem Sklavenknäuel und durchschnitt die Stricke der ersten Reihe. Von da ab war es nur noch ein Gewimmel von Körpern, von weggeworfenen Seilen und sich aufrichtenden, nackten Leibern. Der Gesang aber verstummte

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