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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zwischen Alf und der Rivalin wurde.
    Ein paar Tage brauchte Aisha, um die Glut in sich zu unterdrücken und nicht ihrem wilden Gefühl nachzugeben, nachts durch das Fenster in das Krankenzimmer Lores einzusteigen und die Blinde zu töten. Wenn Alf Brockmann mit Lore spazierenging, saß Aisha wie verzweifelt am Fenster ihres Zimmers oder rannte hinunter zum Wadi, starrte über das lehmige Wasser und verfluchte sich, daß ihr Herz blutete und ihre Sehnsucht nach Alfs Umarmung so groß in ihr war und von Tag zu Tag wuchs.
    Und noch etwas zerstörte Aishas Ruhe.
    Nach dem Attentat auf Lore Hollerau hatte sie alle Verbindungen zur befehlgebenden Zentrale abgebrochen. Ihr Funkgerät, ihre Terrorausrüstung, ihren Chiffreschlüssel ließ sie unter dem faulenden Heu und benutzte nichts mehr. Sie gab keine Meldungen mehr durch, sie suchte keine neuen Aufgaben, ja, sie meldete sich nicht einmal mit der Wahrheit: Ich höre auf. Ich liebe Alf Brockmann. Ende für Gamma eins – Sie tat, als habe es nie das verfallene Haus gegeben, als sei sie immer nur die Dienerin des weißen Herrn gewesen, ein Sklave, der glücklich ist über ein Lächeln.
    Und dann kam die Angst. Sie sagte sich ganz klar, was sie getan hatte: Verrat. Was man mit Verrätern macht, wußte sie. Sie hatte es dreimal selbst miterlebt. Es war schauerlich gewesen.
    An einem der letzten Abende, als Lore Hollerau wieder in der Klinik war und die Verbände gewechselt wurden, lag Aisha wie ein langmähniger Hund vor den Füßen Brockmanns und sah zu, wie er ein Glas stark mit Wasser verdünntem Whisky trank. Der Sternenhimmel der Wüste wölbte sich über den Gärten. Von den Teichen und Tümpeln klang das hölzerne Quaken der riesigen Ochsenfrösche.
    »Oulf!« sagte Aisha plötzlich.
    Brockmann schrak zusammen. Er war mit seinen Gedanken weit weg gewesen, in Lübeck, in dem kleinen Haus am Kanal. Er hatte Jörgi gesehen, allein im Garten, traurig über das ölige Wasser starrend, wie verloren in einer fremden Welt, die nur durch die Mutter so schön gewesen war. Nun war die Mutter gestorben, und er stand ratlos im Leben und wußte nicht, warum er überhaupt da war.
    »Ja«, antwortete Brockmann. »Was ist, Aisha?«
    »Du liebst die weiße Frau?«
    »Welche weiße Frau?« Brockmann sah erstaunt hinunter zu Aisha. Sie hatte seine Beine umschlungen und ihren Kopf gegen seine Knie gepreßt.
    »Die Frau im Krankenhaus.«
    »Lore Hollerau. Ach so.« Brockmann legte die Hände auf Aishas lange Haare. Sie fühlten sich wie Seide an und glitten fast schwerelos durch seine Finger. »Warum fragst du?«
    »Ich sehe, daß du sie liebst.«
    »Nein. Vielleicht ist es jetzt Mitleid.«
    »Jetzt noch. Und später, Oulf?«
    »Wer kann das wissen?« Brockmann sah über den Kopf Aishas hinweg in die Nacht. Vom Wadi her brüllten durstige Kamele. Eine Karawane mit Lebensmitteln war gekommen, von Militär begleitet. Nun tränkte man die Tiere, ehe sie weiterziehen mußten, zurück nach Osten, zum Nil, weg von der Oase Bir Assi, die es offiziell gar nicht gab.
    »Weißt du, daß sie nie wieder sehen wird?« sagte er leise.
    »Nie wieder?«
    »Die Ärzte sagen es, Aisha. Dieses Bombenpaket hat Lores Leben zerstört. Was ist ein Mensch ohne Augen? Er hört, er fühlt, er ahnt seine Umwelt – aber das Sehen, dieses göttliche Erkennen, dieses unfaßbare Glück, eine blühende Blume in ihrer rätselhaften Pracht zu sehen, das hat sie verloren. Durch ein kleines Paket Sprengstoff. Aisha, ich bin ein Mensch, der alle Gewalt mißachtet, aber wenn ich wüßte, wer dieses Paket auf Lores Tisch gelegt hat, ich würde ihn umbringen.«
    Aisha senkte den Kopf und drückte ihr schmales Gesicht gegen die Knie Brockmanns. O Allah, dachte sie. Er könnte mich töten. Ist das wahr? Oder sagt er es nur? Soll ich aufstehen und schreien: »Oulf, ich war es! Ich habe das Paket ins Haus getragen. Für dich war es bestimmt, aber ich könnte dich nie töten, weil ich dich liebe! Jetzt weißt du es, und nun töte du mich!«
    Soll ich es tun?
    Sie blieb vor ihm liegen wie ein kleiner, zitternder Hund und genoß das Streicheln seiner Hände über ihr Haar. Gehe nie zu Ende, o Nacht, dachte sie. Bleibt am Himmel, ihr Sterne. Heiliger Nil, halte die Dunkelheit fest … ich habe Angst vor der Sonne, Angst vor dem Tage, Angst vor der Alltäglichkeit. Laß die Träume lang werden wie unser Leben.
    »Hast du keine Angst, Oulf?« fragte Aisha nach einer ganzen Zeit des Schweigens. Brockmann schüttelte den Kopf.
    »Angst?

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