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Naechte am Rande der inneren Stadt

Titel: Naechte am Rande der inneren Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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Penner drückte ich mich im Hauseingang herum. Ich wollte wissen, wann Eva nach Hause kam. Ich wollte sehen, mit wem.
     Ob er im selben Bett mit ihr schlief wie ich.
    |100| Sie kam allein, am Morgen. Sie hatte Josef die ganze Nacht allein gelassen!
    Ich konnte an nichts anderes denken als an ihre Begegnungen mit diesem Mann. Eines Abends sah ich die beiden. Durch Zufall,
     am Steinplatz.
    Er hatte ein verschlossenes Gesicht und lief mit weißem T-Shirt und grauer, farbverschmierter Hose herum. Ganz offensichtlich war er ein Maler.
    Am liebsten hätte ich gesagt, komm, Eva, komm nach Hause.
    Ich trieb mich nun öfter am Steinplatz herum, in der Nähe der Hochschule der Künste, und wartete.
    Der Maler hatte kantige, feste Bewegungen, und ich stellte mir vor, wie er mit Eva Liebe machte. Er war stark behaart. Er
     hatte auffallend dicke, gerade stehende Augenbrauen, und oben aus dem T-Shirt ragten rotbraune Haare hervor.
     
    Einmal, in ihrem Arm, an ihrer Haut, die sich so anfühlte und so roch, wie sie sich immer angefühlt und gerochen hatte, und
     über die sich doch eine undurchdringliche Schicht gelegt zu haben schien, sagte ich wieder: Erzähl mir. Und ich hörte, während
     ich in die Dunkelheit starrte, Evas Stimme, rauh und auf grobe Art zärtlich:
    Das Mädchen steht in ihrem Zimmer. Sie schaut auf die Blumenkästen, in denen Unkraut wuchert; in die Mittagsstille des Hinterhofs
     klingt die Stimme des Jungen, der über ihr wohnt. Die Sonne braucht noch eine halbe Stunde, dann wird sie bei ihr sein. Der
     Kater ist schwarz. Er sitzt neben dem Mädchen, deren Füße aneinanderstehen, die Beine zusammen, die Hände ineinandergelegt,
     die Brust geradeaus, wie eine Tänzerin. Sie hat ihre Wohnung aufgeräumt, mit einer Freundin gesprochen, in Zeitungen geblättert.
     In der Nacht hat sie von ihrem Freund geträumt und von dem geteilten Land, in dem sie lebt, der geteilten Stadt; er wartete
     auf der anderen Seite der Grenze, war ungeschützt durchs Niemandsland |101| gelaufen, nicht wissend, dass die anderen sie als ihr Gebiet betrachteten.
    Der Kater maunzt, er will spielen, er springt an ihren Beinen hoch. Ihre Beine, ihre Arme, selbst ihr Rücken sind zerkratzt.
     In die Ohren, in die Nase hat er sie gebissen, am frühen Morgen, um sie aus diesen schrecklichen Träumen zu reißen.
    Sie hat Schwierigkeiten, über die Grenze zu kommen, aber er wartet dort. Von Weitem sieht sie sein dunkles Haar, die Tasche,
     die er immer bei sich trägt, über die Schulter gehängt, seine Brille hat er abgenommen.
    Warum träumt sie von ihm, wenn sie bei einem anderen schläft?
     
    Ich küsste sie an dieser Stelle, dann wollte ich die Geschichte weiterhören. Meine Angstlust war irrsinnig, ich wollte sie,
     ich wollte, dass dieses Gefühl nicht aufhörte.
    Sie dachte nach. Sie lag neben mir in der Dunkelheit und sprach leise.
    Der andere hat eine Freundin. Wenn sie anruft, sagt er, es ist gerade nicht günstig. Über die Entfernung verstehen wir uns
     besser, sagt der Mann zu diesem Mädchen.
    Er nennt sie Lilli. Lilli, weil sie leichtherzig in sein Leben kam. Wird ihm bang, wenn er daran denkt, dass er sie nur für
     eine kurze Zeit sehen kann? Er wird fortziehen, zu der Freundin, in eine Stadt, in der man geteilte Verhältnisse nicht so
     spürt. Werden diese Nächte Spuren hinterlassen? Sie kann so spöttisch sein, weiß er, wann aus Ironie Ernst wird?
    Was aber, unterbrach ich sie mit trockenem Hals, wenn die Körper die Herzen tragen? Was, wenn sie beim Sprechen der Körper
     zu weinen beginnen?
    Eva setzte sich auf, zündete eine Kerze an, die neben ihrem Bett auf der Erde stand, und sah mich lange an.
    Ich weiß es nicht, Konrad. Ich weiß es einfach nicht.
    Bist du in ihn verliebt? fragte ich.
    Nein, sagte sie.
    |102| Was ist es dann?
    Dieses Nichts-Wollen. Es ist so leicht. Er hat einen festen Mund und fragt nichts.
    Es ist wie ein Geschenk, sagte ich und dachte an Roberts Worte. Der kannte offenbar, wovon Eva erzählte. Ich hatte mir beim
     Zuhören vorgestellt, dass er es wäre, von dem sie sprach. Dann wieder hatte ich das Gefühl, sie erfände alles für mich. Es
     wäre gar nicht wahr. Es wäre ihr Geschenk an mich.
    Geschenke, sagte Eva, verändern ihren Charakter.
    Sie hatte ihr Nachthemd übergezogen und die Beine angewinkelt und saß so vor mir. Ich lag, auf die Seite gestützt, und streichelte
     ihre Füße.
    Die Einmaligkeit, fuhr sie fort, wenn sie so immer neu erfahren wird, verfestigt sich: Das Ganze

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