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Naechte am Rande der inneren Stadt

Titel: Naechte am Rande der inneren Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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nicht zu Ende hören wollte. Hier, rufe ich, das ist mein Geschenk, meine letzte Liebesgabe, damit
     du dich besser kennenlernst!
    |111| Oh, Katerchen, der liebe Gott wird meinen Hochmut strafen!
    Jetzt aber Schluss mit solchen Gedanken! Konrad hat gesagt, dass ich zu keiner konventionellen Zweierbeziehung fähig bin.
     Aber er, oder was?
    Nein, ich werde ihm nichts mehr erzählen. Nichts. Die Sache gehört mir ganz allein. Mein Jackson.
    Ich bin dreiundzwanzig, ich fang erst an, was zu erfahren.
    Robert hat mir erotische Gedichte geschickt, darunter steht: Ich hab dich so gern. Noch so’n Beispiel. Was lernen wir an der
     Uni, über die Gleichzeitigkeit und die Schwierigkeit, sie zu erfassen? Hier hätten wir Anschauungsmaterial, direkt aus dem
     Leben gegriffen!
     
    Es wird zu heiß, das Mädchen geht in den Schatten.

    paar tage später
    ich löse alles auf, vergangenheit, gegenwart, zukunft
     
    Ich habe noch eine Nacht mit Jackson verbracht. Eins, eins, ich zähle so. Ich bin nicht logisch, ich weiß.

    Eine seltsame Sache, unser Verhältnis, ohne Schmachten am Telefon.
    Wir sehen uns jetzt täglich, besser gesagt nächtlich. Wir essen, sitzen im Bett vor dem Fernseher wie Geschwister, deren Eltern
     ausgegangen sind, wir toben auf dem Boden rum. |112| Gestern nach dem Van-Gogh-Seminar bin ich zu ihm; er hat gekocht; er mokiert sich darüber, dass ich es nicht tu. Er sagte,
     mach, wozu du Lust hast. Wir tranken Metaxa, und ich las, bis das Essen fertig war. Er möchte mit einer Frau zusammen wohnen,
     mit der er nichts hat. Er hat mein Shampoo gekauft.
    Ich komme morgens nach Hause, und der Kater freut sich wie ein Wilder. Ich arbeite. Ich geh allen aus dem Weg.
     
    Jackson wird die Stadt verlassen, Europa, und er wird so bald nicht wiederkommen. Sidney. Australien. Am anderen Ende der
     Welt.
     
    Ich schreibe keine Daten. Dies ist meine Zeit mit Jackson.
     
    Seine Augen haben eine große Wärme, wenn er mich ansieht, mit seinen azurtürkisen Augen. Und oft lustig. Ein paar Pünktchen
     drin, safrangelb. Sein Gang ist so fest wie sein Mund. Er ist einen Kopf größer als ich. Ich kann mich schön in seine Achsel
     schieben. Seine Brauen sind dick und rotbraun, zwei gerade Balken unter der hohen Stirn. Seine Mutter hat ihn und seinen Vater
     verlassen, als er zehn war. Sie ist nach Griechenland, Korfu.
    Zum Kiffen und Schmuckverkaufen? frage ich und sehe eine vor mir, mit lauter klirrenden Armreifen und dickem Lidstrich, die
     ewig jung bleiben will. Meine Mutter ist zehn Jahre früher geboren als sie, vor dem Krieg; eine andere Welt. Eine völlig andere.
    Sie würde dich mögen, hat Jackson gesagt.
    Findest du das gut oder nicht?
    Sie hat uns verraten, hat er gesagt.
    Sie hat ihn mitten in der Nacht angerufen, als ich bei ihm war; ich hörte an seiner Stimme, dass er nicht mit seiner Freundin
     sprach. Danach hat er lange geschwiegen und mich angesehen, bis er die Sätze über seine Mutter sagte. Ich hatte plötzlich
     Kopfschmerzen.
    |113| Das Lederband am Hals, mit den Glasperlen dran. Daher weht also der Wind.
     
    Ornamente sind schön. Sie sollen magische Kräfte bannen, die man nicht sehen, deren Wirkung man aber spüren kann. An dieser
     Stelle kommt der Glaube ins Spiel. Sie sind nicht abbildend, sie sind gestische, tänzerische, expressive Formen. Punkte, Kreise,
     Linien. Seriell. Geo bedeutet Erde, also symmetrisch ebenso wie asymmetrisch, wie die Formen der Natur, der Landschaft, Bergketten,
     die sich erheben, Flüsse, die sich schlängeln in ihrem Tal, Bäume, die einzeln und in Gruppen aufragen darin.
Schönheit.
In der Anordnung. Ornamente berühren sich mit der Zahlenmystik auf der einen, mit der Geometrie imaginärer Räume andererseits.
     Sie bannen die Zeit: In einer paradoxen Bewegung nehmen sie dich für einen Augenblick heraus aus dem üblichen Lauf der Dinge,
     in eine Versenkung, in der du dich zugehörig und aufgehoben fühlst – worin auch immer, einer Ordnung, deiner Gruppe von Menschen,
     der Welt, der Natur, dem Kosmos. Kosmos heißt Schmuck.
     
    Ich bin auch ein Schmuck. Ich lege mich auf dein blaues Sofa, nackt, mit meiner weißen Haut und meinem schwarzen Haar, und
     sage: los, komm her, ich bin deine Odaliske. Ich nehme dich raus aus der Zeit.
     
    TRITT einen Schritt beiseite, und der Zauber funktioniert nicht.

    Silvie, meine süße Freundin, hat angerufen; ihr Großvater liegt im Sterben; sie muss hinfahren, wollte mich aber vorher sehen.
     Wir trafen uns gleich

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