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Naechte am Rande der inneren Stadt

Titel: Naechte am Rande der inneren Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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zum ersten Mal zu mir legte, fand ich ihn so leicht wie
     eine Feder, dabei hat er kräftige Schultern und ist größer als ich, und trotzdem kam ich mir schwerfällig vor. Er war unerwartet
     vorsichtig und zärtlich. In unserer dritten Nacht biss er sich selbst in den Arm, um sich zurückzuhalten. So etwas wäre Benno
     nie in den Sinn gekommen.
    Es war wie die natürliche Erweiterung unseres Verhältnisses, manchmal lagen wir nur beieinander, und ich nahm dieses Gefühl
     mit in den Tag. In die Gänge an der Uni, die Straßen, in denen es schneite und schneite. Es gefiel mir, ich fühlte mich unabhängig,
     stark und frei. Ich hielt ein Referat, meine Stimme klang ruhig und fand ihren Weg sicher durch alle Sätze hindurch, wanderte
     ganz logisch von Satz zu Satz, alle ineinandergreifend, ich spürte richtig, wie wunderbar logisch alles klang, und ich freute
     mich, dass ich etwas begriffen |205| hatte. Der alte Weidenmüller sagte, es wird ja am Ende doch noch, mit der Wissenschaft, was ich besonders witzig fand, jetzt,
     wo ich mich vom akademischen Benno immer weiter entfernte.
    Er wurde nämlich irgendwann störrisch und redete ununterbrochen davon, ich würde noch vor ihm Professor werden.
    Bist du denn übergeschnappt? fragte ich ihn. Das will ich doch gar nicht!
    Er wurde sarkastisch und warf mir vor, in einen anderen verliebt zu sein, ich fühlte mich aber gar nicht verliebt. Es war
     einfach nur offen und schön mit Robert, und ich wollte nicht darauf verzichten. Ich wollte nicht nach dem Morgen fragen. Bei
     mir hat sonst immer ein solches Sich-Überstürzen geherrscht.
    Robert zeigte sich leicht, und Benno wurde grob. Ich wollte immer mehr Leichtigkeit.
     
    Kurz vor Weihnachten lud Benno Leute ein, kochte, gab sich alle Mühe, nur: Außer Konrad und mir kamen alle zu spät, tranken
     schnell und redeten belangloses Zeug, über das zielstrebige Forschen und Analysieren und über den Verfall von Epochen und
     wie man sie einteilt und wer diese oder jene Stelle anstrebe (anstrebe!) und ähnliche Dinge – so ungemein gepflegt, oh Gott,
     sie waren alle so irre kultiviert! Ich wäre lieber mit Heumann und Hölt um die Häuser gezogen als mit diesen angesäuselten
     Strebern zusammenzuhocken; wir hätten die
Jukebox
angemacht und Hölt hätte den ganzen Laden angemacht und am Ende hätte er ganz laut
Ficken
geschrien oder
Sehnsucht!
und wir hätten gebrüllt:
mehr mehr mehr!
    Konrad redete wie ein Irrer und wiederholte alles wie in einem Endlosband und ruderte mit den Armen, und ich musste die ganze
     Zeit kichern. Irgendwann hatte ich genug und wollte nach Hause. Benno zischte, du lässt mich im Stich, und da war mir alles
     so zuwider, ich wurde trotzig und weigerte mich, Benno auch nur auf die Wange zu küssen. Keine Partnerschaft |206| ist ideal, sagte Benno, ich hätte ihm am liebsten eine geknallt. Dann bin ich mit Konrad nach Hause.
    Mensch, Eva, hat Konrad gesagt, det hätt ick dir gleich sagen können. Den lassen wir jetzt einfach in Ruhe.
    Und ich habe Konrad geküsst und ihn gedrückt und mich gefragt, warum ich nicht einfach mit ihm zusammen geblieben bin.
     
    Ich fing an, mich auf Robert zu freuen, auf seinen Schritt im Treppenhaus zu lauschen. Einmal lagen wir nur nebeneinander,
     mir gingen Bilder durch den Kopf, so dass ich regelrecht aufwachte und merkte, dass seine Hand zwischen meinen Beinen war,
     ganz ruhig seine Bewegung, zurückhaltend, still, diese Sicherheit, der es nichts ausmacht, wenn der andere Momente lang abwesend
     ist – ich wandte mich ihm zu, aufmerksam, langsam, seltsam, wie in Hypnose. Unsere Körper fingen an sich zu finden. Er liebte
     mich mit solcher Ruhe, wie ich es geahnt hatte und wie es mich doch überraschte.
    Es kam von beiden Seiten zugleich, und das war anders als mit Jackson, der sich vor allem mir überließ.
     
    Ich liebte meine langen Nächte allein. Ich wollte einfach nur Zeit haben. Nicht immer diese Rennerei. Ich ging mit Robert
     ins Kino; wir sahen den ›Stalker‹, den ›Spiegel‹ und ›Solaris‹ von Tarkowskij, den er sehr schätzt, und wir diskutierten über
     den ungebrochenen Symbolismus in seinen Bildern, der mich überraschte, weil wir doch alles dekonstruieren und ironisieren
     – und hier diese intensiven Bilder, die die Leute unmittelbar berühren. – Vor sich hinlieben ist nicht, sagte er einmal mitten
     im Gespräch. – Nein, sagte ich. – Und dann sprachen wir einfach weiter über die langen Kamerafahrten Tarkowskijs, die

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