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Naechte am Rande der inneren Stadt

Titel: Naechte am Rande der inneren Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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Ventilatoren verkauft; manchmal kam ich mir vor wie in Italien, weil sich neuerdings das ganze Leben im Freien
     abspielte. Die Büffelei war quälend, aber sie half mir auch. Mein schattiges Souterrainzimmer in Opas Haus wurde wegen der
     Kühle zu einem ausgesprochen angenehmen Ort.
    Was machst du denn hier?
    Wir freuten uns.
    Wir tranken eine Apfelschorle zusammen. Evas Gesicht wirkte schmal, fast ein bisschen hart. Sie hatte die Haare ungewohnt
     streng nach hinten gekämmt und mit Klammern gebändigt. Sie trug einen grünen Rock, flache Sandalen und ein ärmelloses weißes T-Shirt . Sie sah nicht besonders gut aus. Ihre Augen sahen geschwollen aus. Angestrengt. Selbst in ihrer kritischen Phase, nachdem
     Jackson fort war, hatte sie nicht so angespannt gewirkt. Ich sah sie an und wusste, dass ich sie noch immer liebte. Scheiße,
     dachte ich.
    Robert ist verreist, sagte sie.
    Zum Glück, dachte ich. So konnte ich mit ihr zusammensitzen. Ich strich ihr übers Haar.
    Ich vermisse dich, sagte ich leise.
    Sie fing an zu schluchzen.
    Er ist in die Berge gefahren, allein, das heißt, mit irgendeinem Kumpel, ich weiß nicht einmal mit welchem.
    Was?
    Ich war schockiert: So sehr liebte sie ihn, dass sie deswegen weinte?
    Er kommt doch wieder, Eva.
    Mensch, das ist doch nicht der Punkt.
    Was denn dann?
    Er hat es mir vorher nicht gesagt! Nicht, dass wir gemeinsame Pläne gemacht hätten. Er bleibt auch nur vierzehn Tage. Aber
     er hat es nicht mit mir besprochen, er hat es mir
mitgeteilt
! Auf einem Zettel! Den er unter der Tür durchgeschoben hat. Er ist weg, ich weiß nicht, wohin, es ist das Allerletzte!
    |254| Der Idiot!
    Ich glaube, er hat eine andere, schniefte sie.
    Es platzte aus ihr heraus.
    Konrad, sagte sie, es kommt mir vor wie ein Verrat, es dir zu erzählen, aber ich kann dir nichts vormachen.
    Ich begriff es nicht. Ich hatte Robert kurze Zeit zuvor gesehen, manchmal liefen wir uns über den Weg. Dass er eine andere
     hatte, hielt ich für ausgeschlossen.
    Ich glaube das nicht, sagte ich ruhig.
    Er trifft andere Mädchen, sagte Eva, ich wette darauf.
    Eva sagte immer noch Mädchen, genau wie ich.
    Warum sollte er sonst allein wegfahren wollen? fragte sie. Wir waren doch glücklich zusammen?
    Das muss ein Versehen sein, murmelte ich hilflos.
    Manchmal, wenn ich ihn anrufe, geht er nicht an den Apparat, oder er ist kurz angebunden und legt dann auf. Da ist bestimmt
     eine bei ihm, das gibt es doch nicht!
    Verbringt ihr denn nicht mehr die Nächte zusammen? fragte ich.
    Ich kannte doch Eva. Sie schlief nicht gern allein.
    Eva schüttelte traurig den Kopf.
    Er sagt, er muss lernen, sagte sie, und er kann das besser, wenn er allein schläft.
    Langsam kam auch mir das verdächtig vor. Andererseits – es würde so wenig zu Robert passen.
    Wir sehen uns aber oft, sagte sie leise, das heißt, wir haben uns oft gesehen. Jetzt ist er ja weg.
    Kannst du nicht auch mit jemandem verreisen? fragte ich.
    Sind doch alle weg, antwortete sie. Außerdem, was bringt das denn?
    Ich war außer mir vor Zorn, dass Robert meine geliebte Eva in einen solchen Zustand versetzen konnte. Am liebsten wäre ich
     mit ihr verreist.
    Aber ich ignorierte diesen Wunsch.
    Opa hatte etwas für mich arrangiert, bei seinem Freund in |255| Südengland; ich konnte tatsächlich ein Praktikum in dessen Anwaltskanzlei machen und mir danach ein bisschen Cornwall anschauen.
    Ich fuhr mit einem schlechten Gefühl. Ich schob das Gespräch mit Eva fort, ich wollte mir keine unrealistischen Hoffnungen
     machen, und ich war überzeugt davon, dass sich alles wieder aufklären und einrenken würde. Ich hatte immer gedacht, Eva wäre
     die Unberechenbarkeit in Person, aber Robert hätte ich dieses Verhalten nicht zugetraut. Man ist manchmal so dumm! Warum habe
     ich sie damals nicht nach ein paar Tagen einfach angerufen?
    Ich habe mir nie verziehen, dass ich damals, als sie so aufgelöst vor mir saß, nicht einmal versucht habe, sie zurückzugewinnen.
    Heute frage ich mich, ob ich sie mit meinem ewigen Misstrauen und der Angst, dass sie mich verlassen könnte, vertrieben habe.
     Dass ich mich dann wieder so allein fühlen könnte wie nach dem Tod meiner Eltern. Auf einen solchen Gedanken wäre ich damals
     nie gekommen; über solche Zusammenhänge habe ich erst viel später nachgedacht. Allerdings kam es mir insgeheim schon immer
     so vor, als hätte ich sie unbewusst zu Robert hingetrieben. Als hätte ich es irgendwie vermeiden können und es nicht gewollt.
    

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