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Naechte am Rande der inneren Stadt

Titel: Naechte am Rande der inneren Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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Als hätte ich die Idee gehabt, er könnte sie besser festhalten als ich. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, werde ich den Verdacht
     nicht los, dass ich zugleich hoffte, sie würde ihn ebenso betrügen wie mich. Aus Überschwang und Neugier, aus welchem Grund
     auch immer. So, als wäre das ein Beweis dafür, dass ich nicht selbst daran schuld bin, dass sie heute nicht bei mir ist.
    – – –

|256| 12 (Ensemble: death & destruction)
    Seit Robert aus den Bergen zurückgekommen ist – geht es ständig hin und her. Auf und ab. Es hört nicht auf. Ich weiß nicht,
     ob ich es schrecklich finde oder schön, ich lasse mich treiben, ich treibe durch diese Liebe ohne Plan und ohne Verstand.
    Ich habe Robert gesagt, dass ich es noch nicht verwunden habe, dass er ohne mich weggefahren ist, dass er es mir nur auf einem
     Zettel mitgeteilt hat, als teilten wir nicht unser Leben. Dass ich für mich nicht weiß, wie sich alles in Zukunft zwischen
     uns gestalten kann.
    Das sind ja rosige Aussichten, sagt er, muss ich mir das jetzt jedes Mal anhören, wenn ich eine eigene Entscheidung treffe?
     Du bist doch auch ohne Erlaubnis nach Paris gefahren!
    Was? Aber da – waren wir doch noch gar kein Paar, will ich sagen, doch er unterbricht mich, macht mir Vorhaltungen, dass ich
     traurig bin! Schlägt einen harten Ton an. Will er Rache nehmen?
    Bist du meiner überdrüssig? frage ich und sehe ihm ganz gerade in die Augen.
    Ich muss arbeiten, sagt er, komm später, aber ich warte nicht bis eins.
    Seine Stimme klingt gefasst und ekelhaft neutral.
     
    Ich bin völlig durcheinander. Was heißt denn das jetzt wieder? Ist es aus? Soll
ich
einen Trennstrich ziehen? Das wäre vielleicht das Beste! Das kann doch nicht sein! Wann darf ich denn kommen? Wann bin ich
     denn erwünscht? Ich wandere unsinnig durch meine Wohnung. Lasse Zeit verstreichen. Eine Stunde, zwei. Ich versuche erst gar
     nicht zu lesen. Rufe keinen an. Ziehe den Mantel an, stehe barfuß am Fenster und sehe hinaus. Sehe nichts.
    Ich ging zu ihm, er tat überrascht.
    |257| Jetzt arbeite ich, sagte er.
    Dann wusch er das Geschirr ab; in Zeitlupe trocknete er ab; ich sah ihm zu. Legte mich zu ihm, im Mantel, ich konnte mich
     nicht aufraffen zu gehen.
    Zieh den Mantel aus, sagt er, das ist doch albern.
    Spießer, sage ich und rühre mich nicht.
    Es hat mir die ganze Zeit genügt, nur dich zu sehen, sagt er. Ich muss jetzt auch mal wieder andere sehen.
    Ich auch, denke ich, ich auch.
    Er sprach leise ins dunkle Zimmer hinein. Er sei immer besserer Stimmung, wenn wir hinausgingen, und jedes Mal bedrückt, wenn
     wir zu Hause allein wären. Das ändere nichts an seiner Neigung. Etwas gequält kam noch das Wort
Liebe
über seine Lippen.
    Wenn ich so etwas sagen würde, wäre das Ende nah.
    Soll ich ihm vertrauen?
    Es quält mich, sagt er, wenn du dich zu mir legst und Leistung erwartest.
    Leistung? frage ich.
    Ich denke an den weinenden Minotaurus, den es nicht gibt.
    Soll ich gehen? frage ich.
    Bleib, sagt er.
    Ich konnte auch gar nicht gehen. Ich war gelähmt. In der Nacht rückte ich von ihm ab aus Angst, ihn einzuengen. Beim Aufwachen
     eine Traurigkeit, als wäre kein Schlaf gewesen. Seine erste Frage: Bereust du es, hier geschlafen zu haben?
    Ich sah ihn an, seine braunen, brennenden Augen. Ich stand auf und ging.
    Ich weiß nicht, wer er ist. Ich sehe ihn, wenn ich allein bin, in meiner Wohnung, und die Wände betrachte: wie er sich auf
     seinem Rennrad vornüberbeugt, in seiner Windjacke, mit seinem halben Lächeln, das mich mitten ins Herz trifft, und wie er
     mir zunickt, auf seine unnachahmliche Weise. Ich sehe ihn, wie er auf meinen Planken liegt, im Winter, und nicht von mir weichen
     will.
     
    |258| Ich fuhr an die Uni. Ich holte Bücher ab. Die letzten Seminare sind längst gelaufen; die Ferien haben begonnen; Hausarbeiten
     müssen geschrieben werden. Ich verabschiedete mich von den wenigen, die noch nicht verreist sind. Ich aß mit ein paar Leuten
     aus dem Seminar in der Mensa. Ich bekam irrsinnige Kopfschmerzen
. Die beiden gingen zur Tür hinaus und niemand schaute niemandem nach,
wo hab ich das nur gehört?
     
    Er will allein sein und von mir träumen, sagt er.
    Ich wette, er masturbiert. Die Anwesenheit des anderen wünschen und fürchten, lese ich irgendwo. Es ist ja alles schon gedacht.
    Ich denke bei jedem Türenschlagen an ihn.
    Der Egoismus, sagt Leonhardt, wird durch Schuldgefühle losgekauft. Ich verstehe nichts von solchen Sätzen. Ruf mich an,

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