Naechte der Leidenschaft
hatte. Er hielt es Emma hin, um sie daran schnuppem zu lassen. Dann nahm er den kleinen Beutel in die Hand.
Die Phiole war leer, aber ihr entströmte noch immer der leicht bittere Geruch, den Emma auch bei der ersten festgestellt hatte. Emma seufzte und schüttelte den Kopf.
»Ist das nicht auch Gift?«
»Ja«, räumte sie widerstrebend ein. »Es ist das gleiche wie in dem Fläschchen, das Sylvie in der Hand hält. Aber ich kann es einfach nicht glauben. Warum sollte sie ...« Sie verstummte mitten im Satz, als Amaury den Beutel neigte und eine Hand voll Münzen ausschüttete.
»Da habt Ihr Euren Grund«, sagte er.
»Es scheint so«, stimmte Emma zu, wenn es auch immer noch schwer fiel, das Geschehene zu fassen. Für sie war es eine lächerlich geringe Summe, aber sie wusste, dass dieses Geld dem jungen Mädchen wie ein Vermögen vorgekommen sein musste. Doch es schien noch immer nicht fassbar, dass das Mädchen, das im Tod so unschuldig aussah, zum Morden fähig gewesen war. Es gab zu viele offene Fragen, auf die sich keine
Antwort fand. »Warum hat sie sich umgebracht? Warum hat sie das Gift genommen?«
Amaury zuckte die Achseln und füllte die Münzen wieder in den Beutel. »Schuldgefühle. Angst, ertappt zu werden. Wer kann das schon sagen.« Sein Blick richtete sich auf de Lascey, der wieder hinter den Frauen stand und auf dessen Gesicht ein ängstlicher Ausdruck lag. Als er bemerkte, dass Amaury ihn ansah, wich er nervös einen Schritt zurück.
»Ich wusste von nichts«, stammelte er. »Es war nicht meine Schuld. Hätte ich so etwas geahnt, ich würde sie doch niemals hierher gebracht haben.«
Bei seinen pathetisch klingenden Worten verzog Emma das Gesicht.
»Ihr habt diese Frauensperson hierher gebracht«, klagte Amaury ihn an. »Ich sollte Euch dafür in Ketten legen lassen.«
»Nein!« Der Schneider sah bei diesem Gedanken zu Tode erschreckt aus. »Ich wusste es doch nicht!«
»Ihr hättet Eure Leute besser überprüfen müssen.«
»Ja, natürlich, aber - ich werde es wieder gutmachen bei Euch, Mylord.«
»Wie könntet Ihr das schon wiedergutmachen?«
»Ich werde Euch einen Nachlass auf Eure Gewänder einräumen«, sagte er verzweifelt.
Amaury zog nur eine Augenbraue hoch.
»Die Hälfte des Preises, den ich Euch in Rechnung stellen wollte. Die Hälfte. Und ich werde Euch die Kosten nicht anrechnen, die mir durch die Reise hierher entstanden sind.«
Amaury schürzte die Lippen und dachte kurz über dieses Angebot nach, dann nickte er. De Lascey sackte erleichtert in sich zusammen, erstarrte aber wieder, als Amaury erneut das Wort an ihn richtete: »Abgesehen davon werdet Ihr von diesen Vorrichtungen keine mehr anfertigen.« Er beugte sich hinun-ter, löste die Goldkettehen von seinen Knien und zog die Schnabelschuhe aus, um sie dem Schneider voller Abscheu entgegenzuschleudern. »Und Ihr werdet diese Ärmel kürzen -und die anderen dementsprechend machen.« Amaury zerrte die Ärmel herunter und warf sie dem Mann ebenfalls quer durch die Kammer zu. »Und keine so lächerlichen Federn mehr auf meinen Hüten.«
»Ja, Mylord.« De Lasceys Erleichterung war nahezu greifbar.
»Und sollte ich irgendetwas ähnlich Lächerliches an meiner Frau sehen ...« Er ließ diese Drohung in der Luft stehen, überließ es der Fantasie des Schneiders, sie zu Ende zu denken.
»Ja, Mylord. Danke, Mylord.« Sich wiederholt verneigend, ging er rückwärts aus dem Zimmer und winkte den Frauen, ihm zu folgen.
Amaury sah ihnen nach, dann schüttelte er den Kopf und stieß zwischen zusammengebissenen Zähnen seine wenig schmeichelhafte Meinung über diesen Mann hervor.
Emma schwieg. Sie gab de Lascey nicht die Schuld an Sylvies Tun, wollte aber über die Vereinbarung, die ihr Mann über die Halbierung seines Lohnes getroffen hatte, nicht streiten. De Lascey hatte seine Kosten ohnehin großzügig berechnet, und wenn er die Hälfte seines ursprünglichen Lohnes bekam, war dieser Handel immer noch mehr als gerecht. Ihr Blick glitt zu Amaury, der gerade dabei war, mit einem Stirnrunzeln an sich herunterzusehen.
»Ich werde mich wieder umkleiden«, verkündete er und nahm Emmas Arm, um sie zur Tür zu führen. »Kümmere dich um das Mädchen, Little George«, wies er seinen Ersten Offizier an. Als er Emma zur Tür hinaus schob, wandte diese sich noch einmal um und fügte hinzu: »Sorgt bitte dafür, dass sie ein anständiges Begräbnis bekommt.«
Auf dem Weg zum Schlafgemach schwieg Emma. So traurig die Ereignisse des
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