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Nächte im Zirkus

Nächte im Zirkus

Titel: Nächte im Zirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Carter
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vorkam.
    »Bastarde«, sagte Liz, als ich ihr alles erzählte, und sie meinte nicht die Banditen damit. Sogar der Colonel sah etwas bedrückt drein, was wohl auch das mindeste war, wenn er sich auch weigerte, irgendeine Verantwortung für unsere böse Lage zu übernehmen, und murmelte, das sei ein Fall von caveat emptor, und Dummköpfe müßten ihre eigene Verantwortung tragen.
    Aber - was wird der Banditenhäuptling mit uns machen, wenn er wieder aufwacht? Wird er seine Wut an uns auslassen? Es nützt nichts, sich seiner Waffen zu bemächtigen, denn alle Banditen sind über und über mit Waffen behängt und haben die Läufe ihrer Gewehre auf uns gerichtet. Großartige Situation, muß ich sagen.
    Die Prinzessin geht auf und ab, ihres Lebenssinns beraubt, die nutzlosen Hände ausgestreckt, entsetzlich aussehend wie Lady Macbeth in der Schlafwandlerszene, Mignon, einen Schritt hinter ihr, gibt acht, daß sie sich nichts tut; die Clowns haben sich jedoch wieder soweit berappelt, daß sie den Feuerjungen mit ein paar einfachen Kartentricks unterhalten, die Geschichte mit dem Pudel entweder vergessen oder vergeben, aber ich sehe Stürme aufziehen, wenn ihnen die Zigaretten ausgehen. Der Colonel hat (vielleicht aus verdrängten Schuldgefühlen) seinen Widerstand gegen Wodka so sehr überwunden, daß er bald breit ist und immer wieder dieselben Lieder von Old Kentucky in seinem hohen Bariton vor sich hinsingt. Also setzen sich alle, die noch willens und in der Lage sind, einen Kriegsrat zu bilden, zusammen auf die hölzerne Plattform, nämlich: ich, Lizzie, und - Samson der Starke Mann.
    Es ist mir bewußt, daß sich seltsame Veränderungen in Samsons Hirn vollziehen. Seine Augen, die einst so hell und leer waren, werden nun von Stunde zu Stunde dunkler und introspektiver, doch ist die Zeit noch nicht reif dafür, daß er zu reden beginnt. In dieser Hinsicht habe ich große Hoffnungen, wenn wir alle noch lang genug leben sollten. Wenn er also auch nicht an unserer Diskussion teilnimmt, folgt er ihr mit lebhaftem Verständnis und ist wie wir hin- und hergerissen zwischen echtem Mitleid für die getäuschten Banditen und der bangen Frage nach unserer eigenen Zukunft.
    »The sun shines bright«, trällert der Colonel, »on my old Kentucky home.«
    Sybil schien sich für die Zeit seiner Trunkenheit von ihm distanziert zu haben und hatte sich soweit entfernt wie möglich von dem Feuerjungen in die Bärenfelle gekuschelt, doch wir dachten uns, wir könnten schließlich auch das »Orakel« befragen, und Lizzie zog dem Colonel die Alphabetkarten aus der Tasche, was er überhaupt nicht bemerkte. Doch der einzige Rat, den Sybil gibt, besteht in der Anweisung A-B-W-A-R-T-E-N. Draußen fängt es wieder an zu schneien, was gottseidank den Feuerjungen aktiv werden läßt.
    Dann hörten wir die unmißverständlichen Lärmgeräusche von Banditen, die ihre Sorgen ersäufen, und - Briganten aus einer komischen Oper, die sie nun einmal waren - jetzt begann ein Chor von klagenden Baßbaritonen in verschiedenen Stimmen zu lamentieren, wenn auch die Mehrstimmigkeit im Lauf der Zeit etwas ausfranste. Und es war eine traurige Musik, daß man sich am liebsten die Kehle durchgeschnitten hätte.
    »Hier sind wir also nun«, bemerkte Liz, »im Arschloch des Universums mit einem Haufen schäbiger Buschklepper, die so tief im falschen Bewußtsein stecken, daß sie glauben, die Königin von England würde ihretwegen ein Tränchen zerdrücken, wenn sie’s nur wüßte, und dein Flügel ist gebrochen, daß wir nicht fortfliegen können. Und unsere Uhr ist definitiv weg. Und wir können auf keine Weise herausfinden, ob die letzte Lieferung Post angekommen ist.«
    Was wohl unser geringstes Problem sein dürfte, ob die Genossen in London brühwarm über den Kampf hier informiert werden. Als ich das sage, streiten wir uns - zum ersten Mal im Leben! Harte Worte fallen. Wir ziehen uns in verschiedene Ecken der Hütte zurück, um zu schmollen. Und mit alledem, mit unserer schlechten Laune und dem Weinen und Brüten der Prinzessin und Mignon, die sich vielleicht anstellt, und dem Colonel, der sich immer zusammenhangloser durch die Songs von Stephen Foster hindurchsingt, wie im Wettstreit mit dem Lamento der Banditen draußen, die an den Wassern Babylons weinen, und dazu noch das Heulen der Wölfe und das rauhe Gelächter, das die zunehmend unanständigen Spiele begleitet, die die Clowns mit dem Feuerjungen anstellen - mit all dem glaube ich langsam, daß ich in

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