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Nächte im Zirkus

Nächte im Zirkus

Titel: Nächte im Zirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Carter
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gemacht. Wie gewünscht war die Brust mit Sternen besetzt und der Rock mit Streifen, obwohl der Colonel »Old Glory« in dieser Verkörperung nicht erkannt hätte, so gründlich hatte die Schamanencousine die Bildzeichen der traditionellen Ikonographie des Stammes einverleibt. Das Blech ging ihr aus, ehe sie mit den Ornamenten fertig war, so daß sie auf einem Ren nach R. ritt und dort einen neuen Kessel gegen eine Dosis Tripper eintauschte. Als sie wieder heimkam, zerstückte sie den Kessel und machte viele kleine Glöckchen aus dem Metall. Die nähte sie an die Schultern des Kleides, unter die Arme und an die Ellenbogen.
    »Du mußt dem Klingeln der Glocken lauschen, um daraus ---« (der Schamane sah erstaunlich ernst drein) »--- gewisse Dinge zu erkennen.«
    Doch für Walser schien das Klingeln vorzuschlagen, er solle hüpfen und springen. Sie nähte auch ein kleines Büschel Federn an jede Schulter. Obwohl ihm die bei der Levitation helfen sollten, brach Walser zusammen und weinte wie ein kleines Kind, als er sie sah. Wie kam das?
    Der Schamane mischte Pigmente, die aus verschiedenen Erden, Moosen, Flechten und Beeren stammten, und begann, die Oberfläche der Trommel zu bemalen. Oben malte er Sonne, Mond, Birken, Weidenbäume und gehörnte Tiere, die nicht klar einer Spezies zuzuordnen waren. Unten malte er Frösche, Fische, Schnecken, Würmer und Menschen. In der Mitte - Füße im unteren, Kopf im oberen Teil - malte er eine anthropomorphe Figur, gestaltet, daß sie leicht zwischen beiden Zonen verkehren konnte. Diese Figur war menschlich oder zumindest zweibeinig; nichts an ihr deutete darauf hin, ob sie männlich oder weiblich sein sollte; sie war von eindrucksvoller Größe. Um ihre Fahrten zu erleichtern, malte der Schamane ihr Flügel, große Flügel, weit ausgebreitete Flügel, und malte die Flügel mit einem stumpf-leuchtenden Rot aus, das er gewann, indem er getrocknete Läuse im Mörser zerstieß.
    Diese Gestalt beunruhigte und entzückte Walser sogar noch mehr als die Glöckchen und Federn seines Gewands. Er starrte die Trommel stundenlang an, mit leisem Lachen gurrend, als übe er seine neugeborene Empfindungsfähigkeit. Er klopfte und pochte mit dem pelzigen Schlegel an die Trommel und versuchte sie zu überreden, zu ihm zu sprechen. Nichts. Er lächelte die Figur an und tanzte für sie, sowohl mit dem Bären wie allein. Schließlich streckte er dem gemalten Wesen die Arme in demütiger Geste entgegen und brachte, auf Englisch, die Worte hervor:
    »Only a bird in a gilded cage!«
    Dann schlug eine Tür in seinem Gedächtnis zu, und die nächste Zeit lebte er weiter wie ein Kind des Stammes, nur darin privilegiert, daß er ein ungewöhnlich begabtes war.
    Als nächstes kam die Frage seiner Mütze, ohne die seine Schamanentracht nicht vollständig war. Das Muster für seine Mütze mußte auch aus visionärer Eingebung ermittelt werden, wie das für den Rest seiner Ausrüstung. Der Schamane dachte sich, es wäre wohl das beste, Walser auf ein Ren zu setzen und es dem Rentier zu überlassen, wo man wohl am ehesten die Inspiration für die Mütze finden würde. Aber wann sollte das geschehen? Nun, wann sonst als an dem zauberkräftigen Wintersonnwendtag selbst! Wenn die Sonne eine Weile sich tief unten verkroch und seltsame Nachttiere hervorkamen, um in der Dämmerluft ihre Spiele zu treiben.
    Da der Winter schon zwei, drei Monate gedauert hatte, waren die meisten Dorfbewohner zu einem kleinen Fest geneigt, als der späte Morgen des Solstitiums dämmerte. Und obwohl es der Sonne nicht gelang, sich vor der Stunde über den Horizont zu wälzen, da man in einem zivilisierten Land sich gerade zum Elf-Uhr-Tee gesetzt hätte, trat sie schließlich doch in ihrem Glanz hervor. In beinahe zu starkem Glanz - so ungewohnt war das Wetter für die Jahreszeit, daß sich der Schamane, der einen trüben Tag erwartet hatte, seltsam beunruhigt fühlte, als könne ein Zauber außerhalb seiner Kontrolle wirksam geworden sein. Doch der Sonnenschein brachte die Dorfbewohner ins Freie, und als der Schamane und Walser fertig bekleidet und aufbruchsbereit waren, scharte sich eine beträchtliche Anzahl von Ausflüglern um sie, wohlversehen mit dem und jenem für ein kleines Picknick. Die Cousine des Schamanen blieb jedoch im Dorf, um ihre Tochter in der Schutzhütte unterzubringen, die ein wenig außerhalb lag und bestimmt war, zehn Tage lang nach einer Geburt Mutter und Kind aufzunehmen, damit die bösen Geister nicht bemerkten,

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