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Nächte in Babylon

Nächte in Babylon

Titel: Nächte in Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Depp
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wieder in den noch plaudernd beisammenstehenden Grüppchen fest. Perec achtete darauf, ihn nicht abzuhängen.
    Ein Haken nach links, eine Nebenstraße hinunter. Ein Blick über die Schulter: Ja, er sieht mich noch.
    Ein Haken nach rechts. Ein Zwischenspurt, dann schnell wieder links rum. Er ist noch an mir dran. Und wieder nach links. Und nach rechts und noch mal nach rechts. Komm schon, komm schon …
    Spandau hetzte hinter ihm her. Er rang nach Luft; der Wein und das Essen lagen ihm schwer im Magen. Wie weit war er schon gelaufen? Er durfte sich nicht abschütteln lassen. Immer weiter ging die Verfolgungsjagd durch die dunklen Straßen, bis sie schließlich zwischen zwei verlassenen Lagerhäusern in einer Sackgasse endete.
    Da war der Kerl. Die kleine Ratte saß in der Falle.
    In der Mauer eine Tür. Perec drückte sie auf und war verschwunden.
    Spandau warf sich im vollen Lauf gegen die zufallende Tür. Sie krachte gegen die Wand, dass das trockene Holz splitterte. Am Fuß einer Treppe kam er schwankend zum Stehen. Es war finster. Und es stank. Ein saurer, ranziger Mief, der ihm in die brennende Lunge stach, ein Übelkeit erregender Geruch, von dem ihm fast das Essen hochgekommen wäre. Er hob den Kopf. Oben stand Perec, ein Schatten, der auf ihn heruntersah. Im nächsten Augenblick war er fort.
    Spandau stolperte die Treppe hinauf, halb blind in der Dunkelheit. Oben roch es noch bestialischer. Der Gestank schien von unten zu kommen, rechts und links von ihm aufzusteigen. Offenbar befand er sich auf einer Art Wartungssteg. Er nahm hinter sich eine Bewegung wahr und fuhr herum.
    Sofort schlug Perec zu. Er holte weit aus und schmetterte Spandau ein ruderähnliches Werkzeug mit voller Wucht gegen den Brustkorb. Spandau kippte nach hinten und fiel, von dem säuerlichen Rachen der Dunkelheit verschluckt.
    Er landete in einer zähen, dünstenden Brühe, aus der übel stinkende, träge zerplatzende Blasen aufstiegen. Irgendwie kam ihm der Geruch bekannt vor.
    »Alles heil geblieben?«, rief Perec zu ihm herunter. »Sie sind doch hoffentlich nicht tot? Das wäre sehr schade.«
    Spandau watete bis zu den Knien durch die Brühe, die auf dem Grund breiiger war und nach oben hin wässriger wurde. Auf der Oberfläche schwamm eine dünne Dreckkruste. Er tastete die Wand ab: Holz. Er fühlte Risse und Splitter. Eiche? Ein riesiges Fass?
    »Müffelt ganz schön, was? Das war hier vor Urzeiten mal eine Essigfabrik. Ich hab sie einen halben Tag lang ausgekundschaftet. Sehr interessant. Ich glaube, wenn es regnet, laufen die Fässer voll und der Geruch kommt wieder raus. Aber in der Matsche, in der Sie stehen, ist bestimmt auch noch eine ziemliche Ladung Ratten- und Taubenkacke mit drin. Passen Sie lieber auf, dass Sie nichts in den Mund kriegen.«
    Perec kauerte sich an den Rand des Bottichs und ließ den Strahl einer Taschenlampe hin und her wandern, bis er Spandau gefunden hatte.
    »Jetzt kommen Sie sich garantiert wie der letzte Oberidiot vor«, sagte er. »He, da unten! Reden Sie mit mir.«
    Spandau bekam einen Schlag auf die Schulter.
    »Wenn ich hier erst wieder draußen bin, werde ich Ihnen was flüstern«, antwortete er.
    »Große Worte für einen, der im Essigfass steckt.«
    Spandau schnellte in die Höhe, auf die Taschenlampe zu. Aber er kam nicht hoch genug. Bis zum Rand fehlte ihm mindestens eine Armlänge. Als er wieder im Wasser landete, wallte die nächste Gestankswolke auf.
    »Können Sie das nicht sein lassen? Dadurch wird der Mief bloß noch schlimmer. Oder wollen Sie, dass ich Ihnen auf den Kopf kotze?«
    »Sie perverser kleiner Irrer.«
    »Seien Sie lieber nett zu mir. Ich hab mir Ihretwegen so viel Mühe gegeben. Den ganzen Tag hab ich nach dem idealen Plätzchen für eine Falle gesucht. Und dann finde ich zufällig die alte Fabrik. Der reinste Glückstreffer. Besser geht’s nicht. Eigentlich wollte ich Sie niederschlagen und fesseln oder so. Das wäre auch gegangen. Aber so ist es ein Traum.«
    »In spätestens fünf Minuten sitzt Ihnen die halbe provenzalische Polizeitruppe im Nacken.«
    »Kann auch ruhig die ganze sein. Die wissen doch überhaupt nicht, wohin Sie gelaufen sind. Die haben keine Ahnung, in welche Richtung wir wollten. Nein, die finden mich nicht. Und die werden Sie auch nicht rechtzeitig finden. Wahrscheinlich rätseln die immer noch rum, warum Sie so plötzlich verschwunden sind. Oder hinter wem Sie her waren.«
    »Hat dieses ganze Theater auch einen tieferen Sinn?«
    »Natürlich«, sagte

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