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Nächte in Babylon

Nächte in Babylon

Titel: Nächte in Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Depp
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überzeugt gewesen, dass sie ihn schneller stechen würden. Wahrscheinlich war es einfach zu viel für sie. Natürlich waren jetzt die Bullen hinter ihm her, aber er hatte es geschafft, sich wieder in die Villa durchzuschlagen. Bis sie den Amerikaner fanden, war er längst über alle Berge gewesen. Er war durch seinen Stollen gekrochen und hatte ihn hinter sich zum Einstürzen gebracht. Es gab keinen Weg mehr zurück. Er war am Ziel. Hier würde er bleiben. Er hatte so gehofft, dass der Mann trotzdem sterben würde. Und jetzt? War er wieder in der Villa. Anna war wie ein kopfloses Huhn rumgelaufen, als sie ihn zurückbrachten. Und was für ein Getue sie um ihn gemacht hatte – einfach widerlich. Dabei konnte er sogar auf seinen eigenen Beinen laufen! Perec hatte sich so sehr eine Blutvergiftung für ihn gewünscht oder einen Wundbrand, oder dass ihm wenigstens ein Arm oder ein Bein abfiel.
    Doch auch das nicht. Der Kerl war einfach nicht kaputt zu kriegen.
    Aber wer weiß? Vielleicht konnte er ihn ja noch umlegen, wenn er mit Anna fertig war.
    Es wurde endlich Zeit, dass er ins Haus gelangte. Irgendwo musste es doch eine Falltür geben. Nach einigem Suchen wurde er tatsächlich fündig. Als unten alles ruhig geworden war, klappte er sie vorsichtig auf. Sie führte in einen Wäscheschrank. Jemand kam. Perec spähte durch einen schmalen Spalt hinunter. Es war Pam, die sich noch eine Decke holen wollte. Als sie gegangen war, machte er die Luke leise wieder zu.
    Er kroch zurück in seine Ecke. Dort fühlte er sich sicher. Seltsam, wie sehr er sich in seinem Versteck schon zu Hause fühlte. Er rollte sich zum Schlafen zusammen, obwohl es ihm ziemlich vor den Ratten graute, die auf dem Dachboden herumhuschten.
    Perec war müde. Er bettete den Kopf auf die gefalteten Hände und dachte an Anna. Manchmal funktionierte es, dass er von ihr träumte, wenn er stark genug an sie dachte. Er schlief ein.
    Er schlief so tief und fest, dass er nichts von dem hellen kleinen Skorpion bemerkte, der ihm ins Hosenbein kroch. Das Tier genoss die feuchte Wärme, die von Perecs lebendem Körper ausging. Es hörte das Strömen des Blutes unter der Haut genauso deutlich, wie ein Mensch das Rauschen des Windes hört. Der Skorpion war auf der Hut, denn er wusste, dass er dieses lebende Wesen töten musste, sobald es eine verdächtige Bewegung machte.
    Doch momentan war alles gut.
    Irgendwann in der Nacht rührte sich der Skorpion. Perec, der das Kitzeln an seiner Wade spürte, griff unbewusst hinunter und kratzte sich. Bevor der Skorpion vom Hosenstoff erdrückt werden konnte, krabbelte er blitzschnell in eine Falte, richtete den Hinterleib auf und stach zu. Mit einem Schrei fuhr Perec in die Höhe. Während er noch hektisch an sich herumklopfte, stach der Skorpion zum zweiten und letzten Mal zu. Perec zog das Hosenbein hoch; der erschlagene Skorpion fiel heraus. Zum Glück war es kein besonders großes Exemplar, dachte Perec. Er untersuchte seine Wade. Es war ein Gefühl, als ob er von einer Wespe gestochen worden wäre. Mit Wespenstichen kannte er sich aus. Sie taten zwar weh, waren aber sonst nicht weiter schlimm. Von so einem kleinen Skorpion würde ihm höchstens ein bisschen schlecht werden. Er war nicht allergisch auf sie, und der Stich brannte noch nicht mal besonders.
    Er stopfte sich die Hosenbeine in die Socken und schlief weiter.
    Anna klopfte an Spandaus Tür.
    »Herein.«
    Er lag im Bett und rauchte.
    »Wie geht es dir?«
    »Beschissen.«
    »Ich bin froh, dass du noch lebst.«
    »Da bist du nicht die Einzige.«
    »Ich möchte, dass du abreist«, sagte sie. »Ich will dich nicht noch mehr in Gefahr bringen. Flieg nach Hause, und wenn ich wieder da bin, reden wir.«
    »Komm her zu mir«, sagte er.
    Sie schmiegte sich an ihn und kämpfte erfolglos mit den Tränen. Er tröstete sie, küsste ihre Augen, ihren Mund.
    »Lass uns nichts überstürzen«, sagte er, aber sie wusste nicht, ob er seine Abreise meinte oder ihre gemeinsame Zukunft.
    Wie viel Zeit war vergangen? Eine Stunde? Zwei Stunden? Ein paar Minuten? Perec wachte auf. Das Bein tat ihm weh. Er richtete sich auf und sah es sich an. Dick angeschwollen. Und ihm war schlecht, als ob er etwas Verdorbenes gegessen hätte. Dann fiel ihm der Skorpion ein. Er legte sich wieder hin, zog die Beine an und wartete: auf die Magenkrämpfe oder auf den Tod – was auch immer das Schicksal für ihn in petto hatte.
    Bald dämmerte er wieder weg, aber es war nicht wie Schlafen. Sein Körper

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