Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nächte in Babylon

Nächte in Babylon

Titel: Nächte in Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Depp
Vom Netzwerk:
nicht mit dir über ihn diskutieren.«
    »Er ist doch bloß ein Lückenbüßer.«
    Sie stellte die Flasche auf den Tisch.
    »Ich sehe, dir ist nicht zu helfen. Wenn du mich noch einmal anrufst, nüchtern oder betrunken, beantrage ich das Kontaktverbot. Ruf mich nicht an, komm nicht in meine Nähe. Das ist mein Ernst. Es tut mir leid, dass du leidest, aber wenn du so weitermachst, wirst du es nie auf die Reihe bekommen.«
    Sie drehte ihm den Rücken zu und ging. Eben ist sie noch da, steht direkt vor mir, macht mir Hoffnung, und dann haut sie einfach ab. Wie verdammt unfair. Sie ist gekommen, weil sie mich sehen wollte, weil sie für mich das Gleiche empfindet wie ich für sie, sie kann es bloß nicht aussprechen, sie brauchte eine Ausrede, sie hofft, dass durch Zauberhand alles wieder heil und gut wird, genau wie ich. Aber es ist so verdammt unfair, mir das, was ich mir am meisten wünsche, wie eine Karotte vor die Nase zu halten, um es mir im nächsten Augenblick wieder zu entreißen. Ich wusste nicht, dass sie so grausam sein kann.
    Und auf einmal war er da, der urzeitliche Rausch des Blutes, der uns zu dem macht, was wir am meisten fürchten. Spandau stürzte hinter ihr her, hielt sie am Arm fest und riss sie brutal zu sich herum, dass sie wie ein Puppe schlenkerte. Als er sie bei den Schultern packte, hätte er sie fast von den Füßen gehoben. Im nächsten Augenblick schob sich seine Hand wie von selbst unter ihr hinreißendes Kinn und legte sich um ihren Hals. In ihrem Blick lag Angst. Dee hatte sich noch nie vor ihm gefürchtet, noch nie. Sie sahen sich an, und dann war es vorbei. Zurück blieben Selbsthass und Ekel, denn Spandau wusste, dass er nicht mehr tiefer sinken konnte.
    Nach hinten taumelnd ließ er sie los. Sie drehte sich um und ging weiter. Es fiel kein böses Wort, es gab keine Szene. Sogar dafür war es zu spät.
    Dann war sie fort.

10
    Ein Keckern im Gebüsch, ein Rascheln. Spandau wacht auf. Ohne sich zu bewegen, starrt er durch das Nachtdunkel zum Teich. In einen Schlafsack eingepackt, sitzt er im Liegestuhl auf der Veranda. Und wartet. Auf dem Tisch neben ihm die leere Wodka- und eine halb leere Jack-Daniel’s-Flasche. Im Schlafsack, auf seiner Brust, eine Taschenlampe und eine Pistole.
    Durch die Bäume und Büsche nähert sich das Geraschel immer mehr dem Teich. Vorsichtig schlägt Spandau den Schlafsack zurück. Packt die Taschenlampe fester, knipst sie aber noch nicht an, weil er die Mistviecher auf frischer Tat erwischen will. Er nimmt die Waffe hoch, einen riesigen 44er Navy Colt, den er in der Gene-Autry-Hütte schwankend von der Wand genommen und mit Hängen und Würgen geladen hat, ohne zu wissen, ob das Ding überhaupt losgehen wird. Ein symbolischer Akt. Das ist die Kanone, mit der wir den Bürgerkrieg gewonnen haben. Zeigen wir den kleinen Scheißern, wer hier der Boss ist. Wir sind Amerika. Wir heizen euch ein, bis euch das Wasser im Arsch kocht. Nieder mit dem Waschbären-Dschihad!
    Wieder bewegt sich was.
    Er springt aus dem Stuhl, macht die Taschenlampe an. Rast wie eine gesengte Sau zum Teich, vor sich den zuckenden Lichtkegel.
    »Jaaaaaaaaaaaah …!«
    Spandau drückt ab. Ka-wumm! Ein Krachen, als ob die Welt untergeht. Im Teich schießt eine Fontäne hoch. Wusch! Ein hastiges Huschen in den Büschen, hektisches Krallengekratze einen Stamm hinauf. Spandau feuert noch einmal, diesmal in die Bäume. Ka-pau! Gekreische (Vögel? Die verfluchten Waschbären?). Das Laub wird lebendig, das Viehzeug spritzt nach allen Seiten auseinander. Jippi!
    Spandau steht im Garten wie Yosemite Sam. Hin und her, vor und zurück wankend, malt er mit der Mündung der Riesenknarre Kreise in der Luft. Vermaledeites pelziges Pack. Spandau ist außer sich vor Freude. Ich zeig’s euch, ihr Mistbande. Er drückt erneut ab, aber die Waffe geht nicht los. Ringsum gehen Fenster auf und Lampen an, die Nachbarn schreien. Das noch ferne Geheul einer Polizeisirene wird lauter.
    Ja, fick die Henne.
    Spandau torkelt ins Haus, schließt die Tür, zieht die Vorhänge zu. Fällt mit der Pistole in der Hand aufs Bett. Versinkt sofort in einem tiefen, traumlosen Schlaf.

11
    Als Spandau in die Agentur kam, wurde er von Pookie mit zorniger Missachtung gestraft. Er versuchte, sie ebenfalls wie Luft zu behandeln.
    Walter saß am Schreibtisch und trank Kaffee, frisch wie der junge Frühling – ein eindeutiger Verstoß gegen die guten Sitten, weil er sich am Vorabend garantiert mal wieder die Kante gegeben hatte.

Weitere Kostenlose Bücher