Nächte in Babylon
Sie ihn? Die Mütze oder die Jacke?«
»Nein.«
»Vielleicht jemand, mit dem Sie auf einem Set zusammengearbeitet haben? Ein Produktionsassistent? Ein Techniker?«
»Wissen Sie, wie viele Filme ich gedreht habe?«, fragte sie zurück. »Auch wenn ich mich jetzt anhöre wie ein Snob, aber ich kann mich von einem zum anderen Mal nicht mehr an die Leute erinnern. Außerdem ist sein Gesicht ja auch gar nicht zu sehen.«
Er legte die Fotos auf den Couchtisch und zeigte sie Pam, als sie zurückkam. »Wie steht es mit Ihnen? Kennen Sie ihn vielleicht?«
Sie sah sich die Abzüge genau an und schüttelte dann den Kopf.
»Es ist immerhin schon mal ein Anfang«, sagte Spandau. »Er ist vermutlich Ende zwanzig, Anfang dreißig. Klein. Sie sind … wie groß? Eins dreiundsiebzig? Demnach wäre er höchstens eins achtundsechzig. Schwer zu sagen bei der Jacke, aber er scheint eher schmächtig gebaut zu sein. Wie ein Jockey. Ich würde ihn auf um die sechzig Kilo schätzen. Die Aufschrift auf der Mütze kann ich nicht entziffern, aber die Jacke hat eindeutig ein Nascar-Emblem. Bloß werden die leider zu Tausenden bei Target verkauft.«
»Ich versteh das nicht. Warum hat er mir nichts getan, obwohl er es doch konnte? Wozu der ganze Aufwand?«
»Das ist so ähnlich wie das Coupszählen bei den Sioux, eine Mutprobe, bei der es darum ging, so nah wie möglich an den Feind heranzukommen. Statt ihn zu töten, berührte man ihn nur mit einem Stab. Er sollte wissen, dass man ihn hätte töten können. Er hat Sie nicht angegriffen, weil er es nicht wollte. Das ist ein Machtspiel. Damit zeigt er, dass er am längeren Hebel sitzt. Vielleicht will er es noch nicht mal Ihnen beweisen, sondern sich selbst.«
»Cowboys und Indianer«, sagte Anna. »Ich fass es nicht. Und wie geht es jetzt weiter?«
»Wir schnappen ihn. Und bis wir ihn haben, sorgen wir dafür, dass Ihnen nichts passiert. Es stellt sich nur noch die große Frage, ob wir die Polizei einschalten.«
»Wenn ich die Bullen hier haben wollte, hätte ich sie längst gerufen«, antwortete Anna.
»Sie sind der Profi«, sagte Pam. »Was würden Sie uns raten?«
»Es hängt davon ab, mit welcher Lösung Sie sich sicherer fühlen. Offen gesagt, kann die Polizei nicht viel machen. Sie haben auch nicht mehr Anhaltspunkte als wir und werden wohl kaum rund um die Uhr an dem Fall arbeiten. Vielleicht ist der Typ vorbestraft, oder er hat eine wiedererkennbare Vorgehensweise. Das werde ich überprüfen. Wir wissen ja noch nicht mal genau, ob die anonymen Briefe etwas mit der Sache zu tun haben. Sie enthalten schließlich keine Drohungen, sondern nur wirres Geschreibsel. Die Polizei würde Ihnen einen Leibwächter empfehlen, und den haben Sie bereits.«
Anna kippte ihren Whiskey hinunter und stand auf.
»Ich will mir darüber keinen Kopf mehr machen. Ich habe zu arbeiten. Und damit schiebe ich Ihnen den Schwarzen Peter zu, Mr. Spandau. Lassen Sie sich was einfallen, damit mir nichts passiert. Pammy, hilfst du mir bei meiner Rede für die Kinoeröffnung morgen?«
»Es ist keine gute Idee, sich momentan in der Öffentlichkeit zu zeigen, vor allem bei so einem Massenspektakel«, sagte Spandau.
»Ich habe vollstes Vertrauen zu Ihnen. Außerdem haben Sie doch selbst gesagt, dass er harmlos ist.«
»Sie haben nicht richtig zugehört. Das habe ich nie behauptet. Ich habe lediglich gesagt, dass er Ihnen diesmal nichts tun wollte. Er ist jederzeit dazu in der Lage, und Sie können Gift darauf nehmen, dass er das weiß. Der Mann ist ein Psychopath, Ms. Mayhew.«
»Ich lasse mir doch von so einem Penner nicht in mein Leben pfuschen. Die Eröffnung liegt mir sehr am Herzen, und ich werde hingehen. Für alles andere bezahle ich Sie.«
»Da wäre noch eine andere Sache«, sagte Pam.
»Noch ein Problem?« Spandau blickte fragend von einer zur anderen.
»Ich fliege nächste Woche zu den Internationalen Filmfestspielen nach Cannes«, sagte Anna. »Ich sitze in der Jury. Sie kommen mit.«
»Das ist doch hoffentlich ein Scherz, oder?«
»Wir haben das alles schon ausführlich mit Ihrem Boss durchgesprochen. Er ist einverstanden«, sagte Pam.
»Vielleicht hat er vergessen, dass unsere Lizenz nur für Kalifornien gilt.«
»Das schien für ihn kein Thema zu sein«, antwortete Pam. »Sie können das ja noch mit ihm ausdiskutieren.«
»Worauf Sie sich verlassen können.«
»Sie sehen also, Mr. Spandau«, sagte Anna Mayhew, »es ist alles in schönster Ordnung.«
Es war fast 19 Uhr, als er endlich
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