Nächte in Babylon
würde überhaupt nichts nützen. Was geschehen war, ließ sich nicht mehr ändern. Die Leute in Amerika sind sich so sicher, dass es für alles eine Lösung, ein Heilmittel gibt. Aber manche Sachen sind einfach nicht wiedergutzumachen. Manche Geschichten schleppt man sein Leben lang mit sich herum.
Er setzte sich auf den Plastikstuhl an seinem Plastiktisch. Er biss in das Sandwich. Er biss in die Gurke. Er aß eine Gabel Kartoffelsalat und trank einen Schluck Limo. Er sah sich im Garten um, in seinem Reich. Er atmete tief durch. Die Pflanzen brauchten dringend Wasser und Dünger. Verbarg sich in diesem Gedanken nicht irgendwo eine Metapher? Die Dinge standen nicht gut, aber es gab noch Hoffnung. Ein bisschen Wasser, ein bisschen Zeit, ein bisschen Pflege. Er war am Boden, aber er lebte noch. Es gab noch Hoffnung. Er war noch nicht tot. Vernunft und Verstand konnten immer noch siegen.
Spandau ging zum Teich. Eine angefressene Goldfischleiche trieb auf dem Wasser. Die Überlebenden, die ihren toten Kameraden umdümpelten, sahen mit vorwurfsvollem Blick zu Spandau auf, dem Gott, der versagt hatte.
»Scheiße!«, sagte Spandau. »Verfluchte Scheiße!«
Er holte den Kescher und fischte die angeknabberte Leiche heraus. Das hatten die Waschbären verbrochen. Diese Räuber überfielen immer wieder den Teich und griffen sich einen Fisch heraus, um ihn zu probieren, bissen ein paar Mal hinein und warfen ihn wieder ins Wasser. Sie machten es noch nicht mal, weil sie Hunger hatten, sondern aus Mutwillen, aus Bosheit. Dieses feige Gesindel, diese elenden kleinen Mistviecher, die sich unsere schlechten Angewohnheiten abgeguckt haben, weil sie zu eng mit uns zusammenleben. Bestimmt hockten sie jetzt irgendwo in den Bäumen und lachten sich eins.
»Ihr Scheißkerle!« Spandau starrte angriffslustig ins Geäst. Dann sah er wieder in den Teich, wo sich die restlichen Goldfische zusammengeschart hatten und ihn anglotzten. »Ich kann verdammt noch mal nichts dafür, okay?«, sagte Spandau. Sie kauften ihm kein Wort ab.
»Lässt du deine Wut jetzt schon an den Fischen aus?«, fragte eine Frauenstimme hinter ihm. Spandau drehte sich um. Es war Dee, die unbemerkt durchs Gartentor hereingekommen war.
»Wahrscheinlich hört man dich noch zwei Straßen weiter toben. Kein Wunder, dass du in der Nachbarschaft so beliebt bist.«
»Die verfluchten Waschbären. Sie haben schon wieder einen gekillt. Wenn sie sie wenigstens fressen würden. Aber sie beißen sie nur an und schmeißen sie wieder rein. Aus reiner Gehässigkeit.«
»Wenn du glaubst, dass es die Waschbären auf dich abgesehen haben, hast du wirklich ein Problem, David.«
Spandau warf den toten Fisch ins Gebüsch.
»Ich habe dir eine Nachricht hinterlassen. Genauer gesagt, nicht nur eine. Das Handy hast du ja praktischerweise ausgeschaltet. Und ich war vorhin auch schon mal da. Aber du hast den Anrufbeantworter nicht abgehört, oder?«
»Ich bin gerade erst rein.«
»Ich habe mit Pookie gesprochen. Du machst wohl mal wieder eine von deinen verantwortungsbewussteren Phasen durch, hm?«
»Man tut, was man kann, um nicht vor die Hunde zu gehen, Schatz. Möchtest du ein Bier?«
»Gern.«
Spandau ging in die Garage, wohin er den Alkohol ausgelagert hatte, und nahm zwei Flaschen Bier aus dem Kühlschrank. Im Gefrierfach lag eine Flasche Wodka. Er schraubte sie auf und trank einen tiefen Schluck. Und noch einen. Er ging wieder raus zu Dee.
»Weiß Charlie, dass du hier bist?« Er gab ihr das Bier.
»Du wünschst dir, das ich Nein sage, nicht wahr?«, sagte sie. »Ja, er weiß, dass ich hier bin. Ich möchte, dass diese Ehe funktioniert, David.«
»Soll ich dir mal eine Liste schreiben, warum sie in die Binsen gehen wird? Frag deine Mom.«
»Ja, ich weiß, dass meine Mom dein größter Fan ist. Aber sie musste ja auch nicht mit dir zusammenleben. Im Gegensatz zu mir.«
»Er kann dich nicht glücklich machen, Dee.«
»Aber du, ja? Der Mann mit dem sonnigen Gemüt. Du musst damit aufhören, David. Charlie möchte, dass ich ein Kontaktverbot gegen dich erwirke, aber ich habe gesagt, ich rede mit dir. Keine Anrufe mehr, kein Herumlungern vor der Schule. Ich will, dass du mich in Ruhe lässt, David. Wenn du in deinem kaputten Herzen noch irgendetwas für mich übrig hast – du kannst es ruhig Liebe nennen –, ziehst du einen Schlussstrich und suchst dir einen neuen Lebensinhalt.«
»Was findest du nur an diesem Bleistiftlutscher?«
»Er ist mein Mann, David. Ich werde
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