Naechte mit Bosch - 18 unwahrscheinlich wahre Geschichten
Bruderherz Koni!« Und: »Wir bilden mehr Konis aus. Wir setzen sie ein zu eurem Segen. Mögen auch Sitze und Mächte wackeln. Es ist notwendig.«
Ich dachte, dass auch ich gern einmal die Sitze wackeln lassen würde und die Mächte sowieso, und wie gern ich andererseitsProtektion hätte bei den großen Meistern, deren Sitze nie wackeln würden, sodass gute Beziehungen zu ihnen wirklich verdammt nützlich sein könnten, später, drüben. Aber ich hatte Zweifel.
Wie sehr auch in Koni, dem Telefon, manchmal Zweifel war, erfuhr ich später aus einem anderen Buch: »Ich habe einen neuen Durchgeber. Ich zweifle, staune, Gottfried von Freienfels?? Ekkehart. Trotzdem schreibe ich. Oft habe ich das Schreiben schon eingestellt, weil ich meinte, dass ich zum Narren gehalten werde. Doch wir werden sehen. Ekkehart? Ja, ich gebe durch, Ekkehart … Ich bestätige, dass ich Ekkehart bin und gebe durch.«
Kurt beendete seine Durchsagen stets mit: »So, Koni. Das ist durch. Bist gut geworden, mein Bruder. Ich danke dir.« Oder: »Kurt war es, dein Bruderherz.« Oder: »Danke, Koni, nun nimm die Tropfen wieder.« Kurt war so praktisch. Er wies auf die Bedeutung von acht Stunden täglichen Schlafs hin und riet, man solle Steuern erlassen »auf Dinge, die äußerst geschont werden sollen«. Shakespeare redete anders. Er sagte:
»Gott, Du Allerhabenheit, Du Allsein, Du Allicht, Du Atmung, Du Atmung von Sein und Ruhe, von Leben und Zurückziehung in Dir. Ich bin nichts und doch ›Ich bin‹ und Du bist das ›Ich bin‹.«
Klang anders als seine Dramen, dachte ich. Hatte er sie doch nicht selbst geschrieben? Wer dann? Hildegard vonBingen? Hatte der Buddha Murat sie einem, der Shakespeare hieß, durchtelefoniert? Das wollte ich wissen.
Also besuchte ich Koni, das Telefon, sank tief in sein Sofa, betrachtete einen Hirschkopf über mir und einen Hirschkopf an der Wand gegenüber und die Barockengel an den Wänden, große Barockengel, kleine Barockengel, füllige Barockengel mit goldenen Lendentüchern und rosa Haut, vielleicht 50 Stück in diesem Zimmer. Koni, das Telefon, war früher Koni, der Restaurator, gewesen und Koni, der Kunsthändler, aber irgendwann waren die Englein nur noch schlecht zu verkaufen gewesen. Sie seien einfach nicht mehr gegangen, sagte er, und so blieben sie eben bei ihm, sonst hätte er nicht so viele. Fast wie im Himmel war es ja hier, weich das Sofa und fett die Englein. So saßen wir, und über uns flogen sie dahin und sangen und trompeteten, und Koni, das Telefon, erzählte vom Jenseits.
Das Jenseits, sagte er, müsse man sich vorstellen wie einen großen Bahnhof, auf dem ständig Menschen ankämen und abgeholt würden: Du hierhin, du dorthin, Gleiche immer zu Gleichen, Böse zu Bösen, Gute zu Guten, Habichte zu Habichten, Lämmer zu Lämmern. Im Jenseits sei alles offen und durchsichtig. Man kenne jeden Gedanken seines Nachbarn, und ob einer ein Sauhund sei, das sehe man sofort und nicht erst, wenn es zu spät sei.
Sauhund zu Sauhund, dachte ich und versuchte mir vorzustellen, wie mich dermaleinst ein strammes, ein Meterfünfundsechzig großes Engelchen abholen würde und wie ich sofort irgendwelche Schweinereien denken würde und wie das Engelchen gleich alles erraten würde und mich abliefern würde bei den Sauhunden.
Wie auf einem großen Bahnhof gehe es dort zu, wiederholte Koni, das Telefon: hektisch und eilig. Jüngst erst habe er mit einem gerade verstorbenen Freund gesprochen, der sich beklagte, er werde im Jenseits ständig herumgeschubst, immer nur herumgeschubst. Koni, das Telefon, hatte ihm geantwortet, das hätte er ihm gleich sagen können, er wisse das ja alles. Aber die meisten hier wollten es eben nicht wissen, wie es drüben zugehe, sonst würden sich wohl mehr Leute bei ihm erkundigen.
Die Englein flogen jetzt tiefer. Ich sank weiter in das Sofa, die Kissen schlugen über meinem Kopf zusammen. In einem früheren Leben war ich ein Habicht gewesen, und jetzt konnte ich mich nicht einmal mehr vom Sofa erheben.
»Woher wissen Sie das alles?«, fragte ich.
Geöffnet, sagte Koni, das Telefon, er sei einer von 144 000 Geöffneten. Man müsse sich das vorstellen, als ob ein Loch in seinem Schädel sei, durch das ein Schlauch direkt in sein Hirn führe. Er empfange Texte und könne auch Fragen stellen. Ob er sich mal nach mir erkundigen solle drüben? Seine Finger lagen schon steil an den Schläfen, die Augen schlossen sich. »Habt’s ihr mir den g’schickt? Kennt’s ihr den? Werd
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