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Naechte mit Bosch - 18 unwahrscheinlich wahre Geschichten

Naechte mit Bosch - 18 unwahrscheinlich wahre Geschichten

Titel: Naechte mit Bosch - 18 unwahrscheinlich wahre Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke
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müsste weg. Er war vor Jahrhunderten mit einer der Frauen verheiratet, der Enkelin, nicht der Großmutter.
    Kennen wir uns nicht alle von irgendwoher?
    Ich bleibe noch dreieinhalb Stunden, beschließe ich. Koni, das Telefon, hat ein Pendel, eine weiße Plastikperle am Ende einer kurzen goldenen Kette. Das schwingt und beantwortet Fragen. Diese kleine silberne Röhre in seiner Hand sei ein Kraftstoffsparer, sagt ein junger Mann, ob er etwas tauge? Das Jenseits verneint. »Ich weiß nicht«, sagte eine Frau, »meine Katze geht seit Kurzem so merkwürdig.« Die Frau lässt ihre Hände nacheinander vor der Brust in die Luft stechen, einen Bogen beschreiben, wieder niederstechen, »wie der Storch im Salat«. Wir erheben uns, stellen uns in den jeweils linken Händen je einen Katzenkopf vor, den wir mit den rechten Händen streicheln; das könne helfen, sagt Koni, das Telefon, oder auch nicht. Später werden unsere Hände flach, und Energie fließt aus ihnen zu einer alten Dame, die Verspannungen im Rücken spürt, welche Koni, das Telefon, knetend lockert und lockernd knetet.
    Die Enkelin hat einen Freund, der in der Psychiatrie
    gelandet ist,
    das Pendel schwingt,
    das Pendel kreist,
    das Jenseits spricht,
    man hört es nicht,
    das Verhältnis zu seiner Oma war schon immer
    problematisch,
    aber Koni, das Telefon, hört das Jenseits.
    Das Pendel schwingt,
    das Pendel kreist,
    Omi ist jetzt unter uns.
    Das Pendel schwingt,
    das Pendel kreist.
    Koni fragt,
    Omi antwortet, sie habe den Enkel besetzt.
    Weiß sie denn nicht, dass sie das nicht darf?
    Doch, das weiß sie – na also.
    Das Pendel schwingt,
    das Pendel kreist.
    Omilein, gehst freiwillig ’naus?
    So gehe es ja nicht.
    Sonst hau i di ins Kreiz!
    Das Pendel schwingt, das Pendel kreist.
    Es hängt in der linken Hand.
    Die rechte fuchtelt plötzlich wild in der Luft herum.
    Das Pendel schwingt,
    das Pendel kreist.
    … und Omi ist besiegt.
    Ein Exorzismus.
    Aber einer in Liebe, das ist nichts Schlimmes.
    Das Zimmer schwingt,
    das Zimmer kreist.
    Das alles tun wir in dreieinhalb Stunden, vom Zuspruch für den Krebskranken noch gar nicht zu reden, der sich dank des Gebetes mittwochs vor einer Woche aufgerafft hat, zu einem Heiler auf die Philippinen zu fliegen.
    Das Sofa hat drei Plätze, und ganz links sitzt eine Frau, welche auf 57 Jahre zu schätzen ist und sich aus prall gefülltem weißen Pullover und hellblauen Jeans nach unten in weiße Mokassins hinein zuspitzt; man würde ihr den Besitz eines Waschsalons zutrauen. Sie lebte ihr letztes Leben in Estland und starb 1892, sagte das Jenseits, sagt Koni, das Telefon. Früher mal war sie, aber das weiß sie selbst schon, eine Priesterin an der Elfenbeinküste, schwarzmagisch, aber hallo!, und grausam, so grausam, oh Gott! »Immer in die eigene Tasche gewirtschaftet«, sagt sie heiser und erkältet aus geschwollenem Gesicht, »ich war schlimm, so schlimm.« Das sei bis heute nicht gebüßt.
    Wie büßt man eigentlich?
    »Man muss sich vorstellen, man hat einen Kredit über 200 000 Mark aufgenommen und muss ihn abzahlen und bekommt nur 15 Mark Stundenlohn«, sagt Koni, das Telefon. Manchmal sind die Sünden so schlimm, dass sich das jahrhundertelang nicht erledigen lässt – er kenne einen, der sei phönizischer Polizeioffizier gewesen: immer rein die Kohorten in die eroberten Städte und die Frauen vergewaltigtundsoweiter. Der büße noch heute, 3000 Jahre sei das her. Zurzeit sei er Altenpfleger und müsse den alten Leuten die Scheiße wegmachen, so viel Scheiße, sagt Koni, das Telefon, so viel Scheiße, sagte der Altenpfleger immer selbst, sagt Koni, das Telefon, und das alles, weil er mal Polizeioffizier war in Phönizien.
    »I mog nimmer inkarnier’n«, seufzt die Waschsalonbesitzerin.
    So gehe es ja auch nicht, sagt Koni, das Telefon, nicht mehr inkarnieren zu können, sei das Schlimmste überhaupt. Es sei für einen Geist so schlimm, wie es für einen Menschen, der sterben wolle, schlimm sei, wenn man ihn jahrelang künstlich am Leben erhalte.
    (Ich dachte, wie schön Kurt bezüglich der Wiedergeburt durchgegeben hatte: »Nun denkt nach. Nun seid einmal so gut und stellt euch eure Lage vor, wenn ihr z. B. in 100 Jahren wiederkommen würdet. Die Erde verschmutzt von unten herauf. Das Meer eine Chemiekloake, die Luft ein undurchdringbarer Schleier von grauem Dunst ohne Sonne, der Sauerstoffspiegel hat sich gesenkt, und das gesamte Klima hat sich verändert. Die Natur bekommt nicht mehr das Ihre. Doch wenn die

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