Naechte mit Bosch - 18 unwahrscheinlich wahre Geschichten
jederzeit hereinbrechen konnte? Wie lange würden die Dämme halten? Man fühlte sich wie Lothar-Günther Buchheim im U-Boot nach einem feindlichen Torpedotreffer, und heiser brüllten wir Befehle: Einen Lappen! Wo ist der Eimer?! Macht das Loch zu! Hängt die Expressionisten höher!
Der Vater des Klempners schluckte trocken und sagte leise, dies sei ihm bisher nie passiert, und er werde nun gehen. Unser Nachbar, der noch nie so tief mit dünnen italienischen Schuhen im Dreck gestanden hatte, folgte ihm mit dem Auto und kehrte mit einem langen dicken Draht zurück, an dessen einem Ende sich eine Kurbel befand, am anderen eine Art Korkenzieher. Damit werde, erläuterte er, das Hindernis in der Wand durchbohrt. Leider war der Korkenzieher erheblich dicker als die Öffnung des Abflussrohres in der Wand. Wir begruben unsere Hoffnungen an der Biegung des Abflussrohres. Auf der Suche nach einem Erfolgserlebnis entdeckte ich, dass aus dem Dunstabzug kein Wasser mehr tropfte. Lachend schaltete ich den Ventilator ein, der einen Schwall fettgesättigten, schleimigen Stinkwassers über mein enttäuschtes Gesicht versprühte.
Wir beschlossen, den Propfen in der Wand nun mit dem Kompressor unter Dauerbeschuss zu nehmen. Und wenn uns die Brühe bis zum Hals steigen sollte, wir würden nicht lockerlassen, immer Wasser marsch! Mit einer Kasserolle, in der wir Tage zuvor herrliche Forellen mit Pinienkernen gegart hatten, fingen wir das aus dem Rohr schießende Wasser auf, füllten es in eine Plastikbadewanne und schütteten es von hier in die Klärgrube im Hof, nicht ohne einen Blick in diesen Orkus zu werfen, aus dessen Wand doch beim Erfolg unserer Bemühungen Wasser hätte sprudeln müssen. Es kam nichts.
Wir erinnerten uns, dass einmal im Jahr ein Mann von einer großen Entsorgungsfirma vorbeikam, um die Versitzgrube zu reinigen, im Familienjargon freundlich der »Scheiße-Heini« genannt. Hatte er nicht gesagt, wenn wir mal einen verstopften Abfluss hätten, sollten wir ihn holen, er habe privat ein tolles Gerät für solche Probleme …? Wir riefen die große Firma an und berichteten; man versprach, ihn zu benachrichtigen. Wir wählten auch seine Privatnummer. Seine Frau war da: Ja, er werde kommen. Ja, er werde seine Maschine mitbringen. »Wird alles wieder gut?«, riefen wir in den Hörer. Ja, es werde alles gut.
So saßen wir und warteten und fühlten uns wie die Bergleute einst in Lengede, bevor die rettende Dahlbuschbombe ihr Erdloch erreichte. Würde Gott mitbohren? Würde der Bundeskanzler anrufen, uns Mut zuzusprechen? Was geschähe, wenn auch dieser Versuch erfolglos bliebe? Sollten wir die Hauskatze durchs Rohr hetzen? Würde das Haus für immer unbewohnbar? Um zehn Uhr abends traf der Retter ein, und seine erste Frage war, ob wir bei unserem Anruf seinem Arbeitgeber von seiner abendlichen Tätigkeit erzählt hätten. Wir hatten. Ja, habe er uns nicht eingeschärft, dass der von alledem nichts wissen dürfe?! In unserer Diele stand ein aschfahler Mann und flüsterte: »Des kannt mei Ende sei.«
Minuten später stand er wieder da wie Red Adair vor dem flammenden Inferno. Sein Auto enthielt eine zwölfMeter lange Spirale, welche er ins Abflussrohr einfädelte und mit Hilfe eines elektrischen Apparates so in Schwingungen versetzte, dass der noch draußen befindliche Teil wie ein Zitteraal durch die Küche tobte. An der Spitze dieses Wurmes sahen wir einen Bohrmeißel, welcher sich, so erläuterte unser Mann, unnachsichtig durch jeden Fettpfropfen im Rohr fressen werde. Denn Fett sei es, das dem Wasser den Weg verlege. Wir hingen an seinen Lippen. Wir hörten das leise Sirren seiner Maschine unter unseren Füßen. Wir dachten: Solche Männer sind es, die einen Tunnel unter dem Ärmelkanal anlegen. Unsere angstgeweiteten Augen richteten sich auf die Dunstabzugshaube: Würde dort – die Spitze der Spirale …? Wir leuchteten mit einer Taschenlampe in die Sickergrube und sahen, wie es aus dem Rohr zu tropfen begann. Wir durften das Wasser wieder anstellen.
Spät in der Nacht saßen wir im Wohnzimmer, weinten ein wenig, betrachteten die Rechnung und dachten: Fettarm leben wollen wir nun, ja, ganz bestimmt.
SCHNÄGG! SCHNÄGG!
E INES T AGES sprach der Herr zu mir: »Gehe hin und lege einen Garten an!«
Ich befand mich gerade in meiner reich bestuckten Schwabinger Altbauwohnung und wälzte mich auf dem Sofa. Draußen regnete es in Strömen, und ich sagte: »Ach, Herr, täte es nicht auch ein Geranienkasten auf dem
Weitere Kostenlose Bücher