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Naechte mit Bosch - 18 unwahrscheinlich wahre Geschichten

Naechte mit Bosch - 18 unwahrscheinlich wahre Geschichten

Titel: Naechte mit Bosch - 18 unwahrscheinlich wahre Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke
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hat ausgerechnet, dass drei Minuten Warten am Telefon wie zehn Minuten empfunden werden. Der nächste Schritt wird sein: Man pflanzt neuen Menschen gleich nach der Geburt ein winziges Telefon unter die Haut und erweitert so operativ die Sinne. Bei der Erschaffung des Menschen ist etwas vergessen worden. Das holen wir jetzt nach.
    Ach, Telefon, kleines Tier. Komm, beiß zu!

EIN RADLER FÄHRT SCHWARZ
    D IESER S AMSTAG wäre ein herrlicher Tag gewesen, wenn nicht … Also, es war Folgendes: Ich hatte mit meinem neuen Rennrad Leute auf dem Land besucht, fünfzig Kilometer vor München. Wir hatten im Garten gesessen, ich hatte ein Weißbier getrunken, und es war wunderbar, ich hatte noch ein Weißbier getrunken, wir hatten gelacht und gescherzt, und ich hatte ein weiteres Weißbier getrunken, ich hätte ja eigentlich längst wieder zurückfahren wollen, da trank ich ein herrlich kühles, erfrischendes Weißbier, es wurde dunkel, na ja, ein Weißbier zum Abschied – dann radelte ich zurück, trotz inständiger Bitten meiner Gastgeber. »Hört zu«, rief ich, »was sind fünfzig Kilometer bei fünf Weißbier?! Ich fahre nicht Auto, ich radele bloß.«
    Nach acht Kilometern war jene Energie verpufft, die fünf Weißbier verleihen, ich atmete schwer. Nach zehn Kilometern fiel mir auf, dass das Licht hinten kaputt war. Nach elf Kilometern hatte ich einen schweren Wadenkrampf links. Nach zwei weiteren Kilometern ging in einem dunklen, kalten Waldstück das Licht vorne aus. Ich versuchte, eine Ersatzbirne einzuschrauben, aber beim erstenVersuch fiel sie hinunter, rollte zur Seite, verschwand im Graben neben der Straße. Ich robbte durch das taunasse Gras, suchte, suchte, suchte – nichts. Ich schrie meine Wut in den Wald. Im nächsten Dorf, drei Kilometer weiter, gab es eine S-Bahn-Station. Ich radelte, von neuen Krämpfen heimgesucht, im Finstern dorthin, von Autos wütend angehupt. Im Ort schrie ein Halbwüchsiger: »Sie haben vergessen, Ihr Licht anzumachen!«
    Die Bahn war vor zehn Minuten gefahren. Die nächste kam in einer halben Stunde. Der Fahrpreis, zu entrichten an einem Automaten, betrug 7,80 DM. Ich hatte nur ein Fünfmarkstück. Fünf Mark in der Tasche, fünf Weißbier im Kopf. Ich stand allein in der Nacht. Schwarzfahren hasse ich, erspart mir eine Rechtfertigung. Liebe schwarzfahrende Freunde, haltet mich für einen feigen Kleinbürger, es lebe die Anarchie – aber ich kann es einfach nicht. Von einem dieser Kontrolleure in karierten Hemden und schwarzen Lederjacken zur Rechenschaft gezogen zu werden: grässlich. Ich beschloss, eine Fahrkarte für 4,80 Mark zu kaufen, um so einen Teil des Fahrpreises zu entrichten und für den Fall, dass man mich stellen würde, meinen guten Willen beweisen zu können. Das Fünfmarkstück fiel klappernd durch. Als ich es herausnehmen wollte, merkte ich, dass jemand einen Kaugummi in den Geldauswurf gepappt hatte. Die fünf Mark waren mit widerwärtiger weißer Klebemasse überzogen, die ich durch Putzen mit dem Taschentuch nurverteilte, nicht aber zu entfernen vermochte. Ich warf das Geldstück wieder in den Automaten. Er nahm es, gab aber keine Fahrkarte heraus; der Kaugummi hielt das Geld in den Eingeweiden des Gerätes fest. Ich trommelte gegen das Blech. Die S-Bahn kam.
    Ich stieg ein und fuhr mit, schwarz, schwarz, schwarz, hatte Angst vor karierten Hemden und schwarzen Lederjacken, legte mir Erklärungen zurecht, fürchtete, an einer fremden Station den Wagen verlassen zu müssen, fiel zu Hause erschöpft, verschwitzt, verängstigt ins Bett.
    Wahrscheinlich wird man von mir nach diesem öffentlichen Bekenntnis ein erhöhtes Beförderungsentgelt verlangen. Sollen sie doch. Ist mir alles egal.

KLEINE RÜLPSER, DUMPFES GLUCKERN
    W IR HÄTTEN DIE S ACHE ernster nehmen müssen, von Anfang an viel ernster. Als sich die Katastrophe anbahnte, hätten wir entschlossen handeln müssen. Verdammt, warum haben wir gewartet? Andererseits: Was hätten wir machen sollen? Wer konnte das alles ahnen? Himmelherrgott, wir haben doch getan, was wir konnten! Wir haben doch gleich um Hilfe telefoniert, aber es ist niemand gekommen. Es kam einfach niemand, niemand … niemand …
    Junge, beruhige dich, es ist alles gut jetzt. Wir sind doch gerettet. Wir haben es geschafft. Du bist ja ganz durcheinander. Sonntags ging es los. Plötzlich lief in der Küche das Wasser … also, ich bin wirklich verwirrt: Ich muss erklären, dass wir auf dem Lande leben, in einem alten Bauernhaus, und dass unser

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