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Naechte mit Bosch - 18 unwahrscheinlich wahre Geschichten

Naechte mit Bosch - 18 unwahrscheinlich wahre Geschichten

Titel: Naechte mit Bosch - 18 unwahrscheinlich wahre Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke
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Balkon?«
    Aber der Herr sprach zu mir: »Ich will, dass du schaufelst und hackst und Wege ziehst und Hecken pflanzt und dass du dich erfreust an einem Bauerngarten mit einer duftenden Kletterrose über dem Eingangstor, an bunter Kapuzinerkresse am Rande gemüsetrotzender Beete, an den altmodischen Pomponkugeln karmesinroter Dahlien, an bunten Gladiolen mit schwertförmigen Blättern, an beerenschweren Sträuchern …« Der Herr seufzte verträumt und sagte: »Nu mach schon!«
    Also kaufte ich ein Haus mit Grundstück auf dem Land. Ich rodete eine Wiese, indem ich quadratische Soden ausstach, vom Erdboden löste und zu einem Hügel neben dem Komposthaufen türmte. Ich fand fette, braunschwarze Erde unter den Soden. Ich schaufelte und hackte undtrennte Beete und Wege mit Reihen von Buchsbäumchen, die einmal zu einer dichten, rechteckig zu rasierenden Hecke zusammenwachsen sollten. Abends, wenn es kühl wurde, setzte ich mich auf eine Bank vor dem Haus und trank Bier. Einmal spürte ich, als ich den Krug ansetzte, an den Lippen statt des harten, kühlen Glases etwas Weiches, Feuchtes, Kaltes. »Wie die Lippen einer Toten«, dachte ich, aber dann fiel mir ein, dass die Lippen einer Leiche vielleicht nicht so voll und weich wären. Eine braune Wegschnecke war vom Bier angelockt worden, das Glas hochgeklettert und kurz davor gewesen, dessen Rand zu überqueren und sich ins Bier zu stürzen. Ich schleuderte den Krug von mir und erbrach mich.
    Direkt neben dem Eingang zum Garten stand einer jener grauen Kästen, in denen die Bundespost irgendwelche Schaltvorgänge geschehen lässt. Weil das Gerät meiner Ansicht nach den Vorstellungen des Herrn von einem harmonischen Garten zuwiderlief, pflanzte ich daneben einen Knöterich, der den Kasten rasch überwuchern sollte, ein Auftrag, dem die Pflanze zügig nachkam. Ihre Geschwindigkeit imponierte mir umso mehr, als ich mich, ehrlich gesagt, ein bisschen daran störte, dass alles andere so langsam wuchs. Ich war ungeduldig. Ich wollte den Garten jetzt so, wie der Herr ihn sich erträumt hatte; es war ja nicht meine Idee gewesen. Jahrelang zu warten, bis aus nebeneinanderstehenden Sträuchern eine Hecke geworden war, aus niedrigenGewächsen Schatten spendende Büsche – oh Gott! Wenn es überhaupt eine Pflanze gab, die mir gefiel, dann dieser Knöterich.
    Die Schnecken hingegen lernte ich zu hassen. Ich setzte zwanzig junge Salatpflanzen in die Erde; sie waren am Morgen danach spurlos vernichtet wie Schokolade von einer Schar kleiner Kinder. Ich sah klaffende Wunden im Fleisch der Zucchini – Spuren getrockneten, in der Morgensonne glänzenden Schleims verrieten die Urheber. Die Blätter des Kohlrabi waren übersät von Löchern; schließlich ragten ihre Stiele kahl in die Luft. Nur an die Tomaten gingen sie nicht, der einzige Punkt, an dem ich ein gewisses Verständnis aufbrachte. Ich mag auch keine Tomaten.
    Aus dem Zwischenfall mit dem Bierglas hatte ich gelernt, dass Schnecken Bier lieben, und ich grub Joghurtbecher bis an den Rand in die Erde, welche ich mit »Wolnzacher Hopfenperle« füllte. Am nächsten Morgen lagen braune Bierleichen in der abgestandenen, uringelben Flüssigkeit. Ich schüttete alles auf den Kompost und füllte die Falle neu. Indes: In wenigen Tagen schmolz so mein Biervorrat dahin, ohne dass ich einmal richtig betrunken gewesen wäre. Ich hasste die Schnecken dafür noch mehr.
    Unter einem Holzbrett, das ich auf einem der Wege vergessen hatte, fand ich ihre Leiber dicht gedrängt, fette alte Schnecken, so lang wie meine Hand, schmale Kinderschnecken, die sich an meinem Salat, meinen Zucchini, meinemKohlrabi erst noch zu mästen beabsichtigten. Ich streute Salz auf ihre Leiber, das die Feuchtigkeit aus den mit der Biomasse meines Gartens gefüllten Körpern zog und ihnen einen qualvollen Tod bereitete. Ich kaufe Schneckenkorn, das sie von innen noch peinvoller zersetzte, streute die senfkorngroßen Kugeln aufs Beet, lockte meine Feinde damit zu Scharen und fand sie morgens sterbend zwischen den Pflanzen, während ihre Nachkommen schon damit beschäftigt waren, die Leichenteile zu fressen, denn Schnecken ist weder Kannibalismus noch Aasfresserei fremd.
    Aber nie wurde ich der Plage Herr! Aus der den Garten umgebenden Wiese wanderten Heere von Schnecken zu, bedächtig in meinen Garten kriechend, nur eines im Sinn: mein Werk zu vernichten. Aber es waren nicht nur ihre Zerstörungen, die mich erbosten. Es war ihre Langsamkeit, ihre nadolnymäßige

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