Naechtliche Versuchung - Roman
Narben verdankte ich den Römern.«
Verwirrt hob sie die Brauen. »Wieso wusstest du, woran ich denke?«
»Weil ich deine Gedanken belausche - so wie du Julian und mich belauscht hast.«
Die Erkenntnis, welch starke übersinnliche Kräfte er besaß, jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken. »Dazu bist du fähig?«
Lächelnd nickte er und betrachtete seine Hand in ihrem Haar, so eindringlich, als wollte er in seinem Gedächtnis speichern, wie es sich anfühlte. Dann kehrte sein Blick zu ihrem Gesicht zurück. »Und um die Frage zu beantworten, die du nicht einmal zu denken wagst - du musst nur deinen Arm wegziehen, und du wirst es wissen.«
»Was?«
»Ob ich ohne Handtuch genauso verführerisch aussehe wie mit dieser Hülle.«
Geradezu beängstigend, wie mühelos er ihre Gedanken las.
Ehe sie sich bewegen konnte, ließ er sie los, öffnete den Knoten des Handtuchs, und es hing an ihrem Armband.
Beim Anblick seines perfekt geformten nackten Körpers hielt sie die Luft an. Überall war seine Haut gebräunt. Nicht nur von der Sonne, es musste seine natürliche Hautfarbe sein. Oh, wie verzweifelt sie ihn begehrte … Am liebsten hätte sie ihn in ein Schlafzimmer gezerrt und die restliche Nacht mit ihm verbracht - auf ihm, dann unter ihm … Da gab es so viele Dinge, die sie mit ihm anstellen wollte.
Wie sein vielsagendes Lächeln verriet, erkundete er schon wieder ihre Gedanken. Er neigte sich vor, sein heißer Atem streifte ihren Hals, drohte sie zu verbrennen. »Weißt du, die alten Griechen kannten keine Hemmungen, wenn sie sich nackt in der Öffentlichkeit zeigten«, flüsterte er in ihr Ohr.
Ihre Brüste prickelten.
Langsam hob er ihr Kinn, sein Blick hielt ihren fest, und er schien irgendetwas in ihrer Seele zu suchen.
Dann berührten seine Lippen ihren Mund. Stöhnend gab sie sich dem Kuss hin, der ganz anders war als der letzte. Viel sanfter. Zärtlich. Trotzdem entfachte er ein wildes Feuer in ihren Adern.
Jetzt zogen seine Lippen eine glühende Spur zu ihrem Kinn, hinab zu ihrem Hals. Seine Zunge liebkoste ihre empfindsame Haut. Selbstvergessen schlang sie die Arme um seine nackten Schultern und lehnte sich an ihn.
»Wie verführerisch du bist«, wisperte er, und seine Zungenspitze zeichnete die Konturen ihrer Ohrmuscheln nach. »Aber ich habe zu tun, und du hasst alle Geschöpfe, die nicht menschlich sind. Und alles Abnorme.« Er trat einen Schritt zurück und schaute wehmütig in ihre Augen. »Schade …«
Er löste das Handtuch von ihrem Armband, warf es über seine Schulter und schlenderte ins Kinderzimmer. Mit zusammengebissenen Zähnen starrte sie seine reizvolle Kehrseite an, bis er die Tür hinter sich schloss.
Plötzlich erinnerte sie sich an die Windel.
Sobald ihr der Gedanke durch den Sinn gegangen war, öffnete der dunkle Jäger die Zimmertür und warf ihr eine Windel zu.
An die geschlossene Tür gelehnt, bekämpfte er sein heftiges Verlangen, die Sehnsucht nach einem Glück, das er niemals genießen würde.
Sonst würden ihn neue Qualen heimsuchen. Und er hatte
schon so viel gelitten, dass es für zehntausend Lebensspannen reichen würde.
Deshalb musste er die Frau aus seinen Gedanken verbannen.
Doch die Einsamkeit seines Daseins lastete bleischwer auf seiner Brust.
Viel zu oft lässt du dich von deinem Herzen leiten, mein Junge. Das wird dich eines Tages ins Verderben führen.
Erschrocken zuckte er zusammen, als die warnende Stimme seines Vaters in seinem Geist widerhallte. Damals hatten sie beide nicht geahnt, wie schrecklich sich diese Worte bewahrheiten würden.
Ich bin ein dunkler Jäger.
Darauf musste er sich konzentrieren. Nur er allein stand zwischen Amanda und der tödlichen Gefahr.
Da draußen trieb sich Desiderius umher, Kyrian musste ihm Einhalt gebieten.
Doch er wünschte sich etwas ganz anderes - die Treppe hinunterzulaufen, Amanda auf die Arme zu nehmen und in sein Haus zu tragen, wo er ihren Körper die ganze Nacht lang erforschen würde, mit seinen Lippen, seinen Händen, seiner Zunge.
»Was für ein verdammter Narr du bist!«, fluchte er und zwang sich, die Kleider anzuziehen, die Julian für ihn bereitgelegt hatte.
Von jetzt an würde er weder an Amanda, noch an seine Vergangenheit denken. Weil er einer höheren Bestimmung folgen musste, die er nicht ignorieren durfte.
Er war ein Beschützer. Als Beschützer würde er leben und sterben. Und das bedeutete, dass ihm lustvolle Freuden in
den Armen einer Frau wie Amanda für immer versagt
Weitere Kostenlose Bücher