Naechtliche Versuchung - Roman
erschauerte sie. »Aber einige trinken auch Menschenblut, nicht wahr?«
Julian zögerte. »Manchmal - wenn sie sich in Daimons verwandeln. Doch das Blut der Menschen reizt sie nicht so sehr - sie interessieren sich vor allem für menschliche Seelen.«
Mühsam schluckte sie. Kyrian hatte also nicht übertrieben, was dieses Thema betraf. Großartig … »Warum stehlen sie unsere Seelen?«
»Die Apolliten werden nur drei mal neun Jahre alt. Am siebenundzwanzigsten Geburtstag erleiden sie einen langsamen, qualvollen Tod. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden zerfallen sie zu Staub.«
»Oh, das ist entsetzlich. Jetzt erkenne ich die Moral dieser Geschichte - man darf den Todesgott nicht herausfordern.«
»Genau«, stimmte Julian grimmig zu. »Um einem so grausamen Schicksal zu entrinnen, begehen die meisten Apolliten am Tag vor ihrem siebenundzwanzigsten Geburtstag Selbstmord. Andere ziehen die Existenz der Daimons vor und umgehen den Fluch, indem sie menschliche Seelen rauben, die sie am Leben erhalten. Dabei gibt es allerdings ein Problem. Sobald eine Seele den menschlichen Körper verlassen hat, beginnt sie zu sterben. Deshalb brauchen die Daimons alle paar Wochen Nachschub.«
Amanda wollte sich gar nicht vorstellen, wie schrecklich es sein musste, von Apolliten getötet zu werden, die einem nicht nur das Leben, sondern auch die Seelen nahmen. »Was geschieht mit den toten Seelen?«
»Leider sind sie für immer verloren. Um das zu verhindern, erschuf Artemis die Gattung der dunklen Jäger. Sie spüren die Daimons auf und befreien die Seelen, bevor sie sterben.«
»Tun sie das freiwillig?«
»Nein, sie werden rekrutiert.«
»Wie denn?«
Julian starrte zu Boden, und Amanda sah ein seltsames Licht in seinen Augen. Dachte er an ein Ereignis in seiner Vergangenheit, das besonders schmerzlich gewesen war?
»Wenn jemand ein furchtbares Unrecht erleidet«, erklärte er leise, »schreit seine Seele so laut, dass ihre Klage bis in die Hallen des Olymps dringt. Das hört Artemis, sucht den Unglücklichen auf und bietet ihm ein Geschäft an. Sie verhilft ihm zur Rache an seinem Peiniger. Dafür muss er ihr seine Seele überlassen, ihr ewige Treue schwören und in ihrem Heer gegen die räuberischen Daimons kämpfen.«
»Woher weißt du das alles?«, fragte Amanda verwirrt.
Nun hob Julian den Kopf. Seine Augen schienen sie zu durchbohren. »Weil meine Seele einen Schrei ausstieß, als ich meine ermordeten Kinder fand.«
Bestürzt las sie Hass und abgrundtiefes Leid in seinem Blick. »Kam Artemis zu dir? Bot sie dir diesen Pakt an?«
»Ja, aber ich ging nicht darauf ein.«
»Warum nicht?«
»Ich musste mich an einem Gott rächen. Und dabei durfte sie mich nicht unterstützen.«
Nur zu gut kannte sie die Geschichte von seiner Gefangenschaft in einem Buch. Doch in diesem Moment interessierte sie sich viel mehr für Kyrians Schicksal. »Hat dein Freund seine Seele verkauft, um sich an seiner Ehefrau zu rächen?«
Nach einer kurzen Pause nickte er. »Deshalb solltest du ihn nicht verurteilen.«
»Das tue ich nicht«, beteuerte sie. Was Kyrian durchgemacht
hatte, wusste sie nicht. Und solange sie keine näheren Informationen erhielt, würde sie ihm seine Entscheidung nicht verübeln. »Können die dunklen Jäger ihre Seelen zurückgewinnen?«
»Ja, aber es gelingt fast keinem. Jeder muss eine individuelle Prüfung bestehen.«
»Heißt das, du wirst mir nicht sagen, wie es möglich wäre, Kyrian zu befreien?«
»Das heißt, dass ich keine Ahnung habe.«
»Oh …« Nun schnitt sie ein anderes Thema an. »Müssen auch die dunklen Jäger Blut trinken?«
»Nein. Das brauchen sie nicht, da sie als Menschen geboren wurden. Außerdem würden sie den Kampf gegen die Daimons vernachlässigen, wenn sie auf Blutsuche gehen müssten.«
»Warum haben sie trotzdem diese Fangzähne?«
»Weil sie die Daimons aufspüren und töten sollen, wurden ihnen die gleichen tierischen Eigenarten verliehen - unter anderem diese Fangzähne.«
Amanda nickte. Ja, das ergab einen Sinn. »Ist das auch der Grund, warum die dunklen Jäger das Sonnenlicht meiden müssen? Weil es ihnen genauso schadet wie den Daimons?«
»Gewissermaßen. Aber im Fall der dunklen Jäger hängt es eher damit zusammen, dass sie in den Diensten der Artemis stehen, der Mondgöttin. Und die Sonne ist ihr ein Dorn im Auge.«
»Das finde ich unfair.«
»Die Götter sind nur selten gerecht.«
Ein paar Stunden später saß Kyrian in seinem Auto und verfluchte seine
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