Naechtliche Versuchung - Roman
erschaffen. Zeus forderte ihn auf, das zu beweisen. Und so fand Apollo eine Nymphe, mit der er die ersten vier Apolliten zeugte. Drei Tage später wurden sie geboren, nach weiteren drei Tagen wurden sie erwachsen. Und danach dauerte es noch einmal drei Tage, bis sie bereit waren, die Erde zu beherrschen.«
Amanda wischte ihre Lippen mit einer Serviette ab. »Also sind die Apolliten die Kinder des Gottes Apollo. Haben sich einige in Daimons verwandelt?«
»Wart’s doch ab - ich erzähle diese Geschichte«, mahnte Julian mit einem geduldigen Unterton in der Stimme, den er normalerweise für seine College-Studenten reservierte. »Weil die Apolliten den Menschen an Intelligenz, Schönheit und Kraft überlegen waren, verbannte Zeus sie auf die Insel Atlantis und hoffte, dort würden sie ein friedliches Leben führen. Ich weiß nicht, ob du Platos ›Dialoge‹ gelesen hast …«
»Nichts für ungut, aber während meines Studiums habe ich einen weiten Bogen um die Philosophie gemacht.«
»Jedenfalls«, fuhr er grinsend fort, »zum Großteil trifft es zu, was er über Atlantis schrieb. Die Apolliten waren eine aggressive Rasse, wollten die Erde regieren und schließlich auch den Olymp. Dagegen hatte Apollo nichts einzuwenden, denn wenn seine Nachfahren den Sieg errangen, würde er zum obersten Gott aufsteigen.«
Amanda ahnte, wozu dies alles geführt hatte. »Was dem alten Zeus missfiel.«
»Natürlich war er entzückt«, sagte Julian sarkastisch. »Aber nicht so sehr wie die armen Griechen, die von den Apolliten unterjocht wurden. Resignierend erkannten sie, dass sie den Kampf nicht gewinnen würden. Und so schmiedeten sie einen Plan, um Apollo auf ihre Seite zu ziehen. Sie entschieden, die schönste Griechin, die jemals das Licht der Welt erblickt hatte, eine gewisse Ryssa, sollte seine göttliche Geliebte werden.«
»War sie noch schöner als Helena von Troja?«
»Dies alles geschah lange vor Helenas Zeit. Und - ja, diversen Berichten zufolge war Ryssa tatsächlich die schönste aller Frauen. Da Apollo nun einmal Apollo war, konnte er ihr nicht widerstehen. Er verliebte sich in sie, und sie gebar ihm einen Sohn. Als die Königin der Apolliten davon erfuhr, geriet sie in helle Wut und beauftragte einige Meuchelmörder, die Mutter und das Kind umzubringen. Damit der Gott keine Vergeltung üben würde, sollte der Eindruck entstehen, ein wildes Tier hätte die beiden getötet.«
Was sich danach abgespielt hatte, erriet Amanda. Sie stieß einen leisen Pfiff aus. »Aber Apollo fand die Wahrheit heraus.«
»Ja, und er rächte sich fürchterlich, denn er ist auch der Todesgott. Er verwüstete Atlantis und wollte jeden Apolliten vernichten. Daran wurde er von Artemis gehindert.«
»Warum hat sie ihn daran gehindert?«
»Weil die Apolliten sein Fleisch und Blut sind. Hätte er sie beseitigt, wäre auch er dem Untergang geweiht gewesen - ebenso die Welt, die wir kennen.«
»Oh …« Amandas Atem stockte. »Dann bin ich sehr froh, dass sie ihn zurückhielt!«
»Darüber freute sich auch der Rest des Pantheon. Trotzdem dürstete Apoll nach Rache. Er verbannte die Apolliten aus dem Sonnenlicht, damit er sie nie mehr sehen müsste und an ihren Verrat erinnert würde. Da sie vorgegeben hatten, ein wildes Tier hätte Ryssa und das Kind getötet, verlieh er ihnen tierische Merkmale - Fangzähne, geschärfte Sinne …«
»Kraft und Schnelligkeit?«
»Diese Eigenschaften besaßen sie schon, auch die übernatürlichen Fähigkeiten, die er ihnen nicht nehmen konnte.«
Erstaunt runzelte sie die Stirn. »Und ich dachte, die Götter wären imstande, alles zu bewirken, was sie wollen. Ist das nicht ihr Privileg?«
»Keineswegs. Ebenso wie wir müssen sie gewissen Gesetzen gehorchen. Und wenn übersinnliche Kräfte geweckt wurden, lassen sie sich nie mehr zerstören. Als Apollo von Kassandra verschmäht wurde, hätte er ihr die Gabe der Weissagung, die sie ihm verdankte, am liebsten geraubt. Das durfte er nicht tun. Aber er richtete es so ein, dass niemand ihren Prophezeiungen glaubte.«
»Ah, ich verstehe …« Amanda nippte an ihrer Cola. »Okay, die Apolliten sind übernatürlich begabte, starke Wesen und müssen die Sonne meiden. Trinken sie auch Blut?«
»Nur, wenn es von einem anderen Apolliten stammt. Um Apollos Fluch zu erfüllen, müssen sie einander alle paar Tage ernähren, oder sie sterben.«
»Igitt!«, stöhnte sie und rümpfte die Nase. »Wie eklig!« Einfach grauenhaft, so zu leben … Bei diesem Gedanken
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