Naechtliche Versuchung - Roman
blieben.
Ein paar Minuten später, in Julians Jeans und einem schwarzen Pullover mit V-Ausschnitt, verließ er das Zimmer. Den Ledermantel über dem Arm, stieg er die Treppe hinab und betrat das Wohnzimmer, wo Julian, Grace, Amanda und die Kinder warteten.
Julian reicht ihm eine kleine Papiertüte, und Kyrian nahm sie entgegen. »Oh, vielen Dank, Dad. Ich verspreche dir auch, ein braver Junge zu sein und ganz lieb mit den anderen Kindern zu spielen.«
Lachend verdrehte Julian die Augen. »Klugscheißer.«
»Immerhin besser als ein Blödmann.« Voller Sehnsucht wandte sich Kyrian zu Amanda. Warum war er unfähig, sie anzuschauen, ohne sie leidenschaftlich zu begehren? Könnte er doch diesen süßen Mund schmecken, ihren warmen Körper in seinen Armen spüren … Entschlossen riss er seinen Blick von ihr los und räusperte sich. »Sorg dafür, dass sie heute Nacht hier bleibt, Julian. Ohne Einladung dürfen die Daimons nicht eintreten.«
»Und die nächste Nacht?«, fragte Grace.
»Bis dahin wird Desiderius den Tod finden.«
Julian nickte, und Kyrian ging zur Tür. Bevor er sie erreichte, legte Amanda ihre Hand auf seinen Arm. »Danke«, sagte sie leise, und er neigte seinen Kopf zu ihr.
Geh jetzt, befahl er sich. Wenn er nicht sofort die Flucht ergriff, würde er der Versuchung erliegen.
Er schaute an ihr vorbei und lächelte Julians Frau zu. »War nett, Sie kennenzulernen, Grace.«
»Ganz meinerseits.«
Und dann eilte er hinaus. In der Diele holte Amanda ihn ein. Ehe er wusste, wie ihm geschah, küsste sie seine Wange. »Pass gut auf dich auf«, wisperte sie.
Verwundert blinzelte er. Die echte Sorge in ihren kristallblauen Augen drang in die Tiefe seines Herzens. Tatsächlich - sie hatte Angst um ihn.
Desiderius wartet.
Wie ein Hammerschlag traf ihn dieser Gedanke. Jetzt musste er wirklich gehen. Doch die Trennung von Amanda fiel ihm unendlich schwer. »Alles Gute, Zuckerpüppchen.«
»Zuckerpüppchen?«, wiederholte sie gekränkt.
»Irgendwie musste ich dir das Macho-Baby heimzahlen.« Er drückte ihre Hand, dann schob er sie widerstrebend von seinem Arm. »Fast acht Uhr. Ruf deine Schwester an.«
Sobald er sie losgelassen hatte, spürte er die Leere in seinem Leben so intensiv wie nie zuvor.
Dann wechselte er einen wissenden Blick mit Julian, der ihnen in die Diele gefolgt war. Zum letzten Mal würden sie einander sehen. Das wussten sie beide.
»Leb wohl, adelfos.«
»Leb wohl, kleiner Bruder«, erwiderte Julian.
Ohne ein weiteres Wort öffnete Kyrian die Haustür und eilte zu seinem Lamborghini.
Unwillkürlich warf er einen Blick zurück. Obwohl er Amanda nicht sah, spürte er sie auf der anderen Seite der Tür, durch die ihr trauriger Blick zu dringen schien.
Wann hatte jemand zum letzten Mal bedauert, ihn gehen zu sehen? Daran erinnerte er sich nicht. Ebenso wenig an dieses verrückte Bedürfnis, eine Frau an sich binden. Koste es, was es wolle …
5
NACHDEM KYRIAN DAVONGEFAHREN war, telefonierte Amanda mit Tabitha und versicherte ihr, sie sei in Sicherheit. Dann duschte sie rasch, lieh sich von Grace ein Sweatshirt und Leggings und setzte sich mit einem Teller Spaghetti auf die Couch. Grace und die Kinder gingen schlafen.
»Okay …« Julian kam aus der Küche ins Wohnzimmer, reichte Amanda eine Dose Cola und sank in den Lehnstuhl. »Wo soll ich anfangen?«
Darüber musste sie nicht nachdenken. »Am Anfang. Erst mal will ich ganz genau wissen, was dunkle Jäger und Daimons sind. Woher stammen die Apolliten? Und was haben die drei miteinander zu tun?«
»Oh, du kommst ohne Umschweife zur Sache.« Während er sein Glas mit Eistee hin und her drehte, schien er zu überlegen, wie er die Fragen am besten beantworten könnte. »In solchen Situationen wünsche ich mir, Homers ›Kynigostaia‹ hätte überlebt.«
»Und was ist diese Kino …? Oder was auch immer.«
Lächelnd nahm er einen Schluck Tee. »Ein Bericht über die Geburt der Kynigosti, der dunklen Jäger. Sicher würde er die meisten deiner Fragen beantworten. Darin wird die Entwicklung der beiden Rassen geschildert, die einst die Erde beherrschten - die Menschen und die Apolliten.«
Amanda nickte. »Woher die Menschen kommen, weiß ich. Und die Apolliten?«
»Vor langer, langer Zeit wanderten Apollo und Zeus durch Theben. Zeus nannte die Menschheit den ›Gipfel der irdischen Vollkommenheit‹. Verächtlich erwiderte Apollo, da gebe es noch sehr viel zu verbessern, und prahlte, er würde mühelos eine überlegene Rasse
Weitere Kostenlose Bücher