Naechtliche Versuchung - Roman
gern würde ich aufwachen und feststellen, dass alles nur ein Albtraum war!« In diesem Moment wurde sie
von beängstigenden Gefühlen erfasst. Die Kräfte, auf die Kyrian hingewiesen hatte, schienen sich in ihr zu regen und in sein Gehirn zu dringen.
Vermutlich wünschst du dir, du wärst mir nie begegnet, Amanda.
Sie trat näher zu ihm. »Kyrian …«
Doch er wich ihrer ausgestreckten Hand aus, ging zum Telefon, das auf einer Marmortheke stand, und hielt ihr den Hörer hin. »Ruf Tabitha an. Sag ihr, sie soll bis Freitag bei eurer Mutter bleiben. Tagsüber darf sie ausgehen - aber sobald es dunkel wird, muss sie ins Haus zurückkehren.«
»Das wird ihr gar nicht gefallen.«
Ärgerlich seufzte er. »Dann fordere deine Mutter auf, Tabitha festzubinden. Wir kämpfen nicht gegen gewöhnliche Vampire. Anscheinend haben sich diese Daimons irgendwelche ungeheuren Energien angeeignet. Bis Talon und ich herausfinden, worin diese Kräfte bestehen, muss deine Schwester auf ihre nächtlichen Streifzüge verzichten.«
»Also gut, ich werde mein Bestes tun.«
Kyrian nickte. »Während du mit ihr redest, ziehe ich mich um.«
Schweren Herzens beobachtete Amanda, wie er die Küche verließ. Sie wollte nicht allein sein - nicht einmal für wenige Minuten. Am liebsten wäre sie ihm gefolgt und hätte ihm beim Umkleiden geholfen …
Stattdessen wählte sie die Nummer von Tabithas Handy.
»Oh, Gott sei Dank, du bist okay!« Tränen drohten Tabithas Stimme zu ersticken. »Soeben hat mir ein Polizist mitgeteilt, unsere Häuser seien abgebrannt. Ich wusste, du würdest um diese Zeit heimkommen …«
Auch Amanda wäre beinahe in Schluchzen ausgebrochen. Aber sie riss sich zusammen, denn Tränen würden nichts nützen und die zerstörten Häuser nicht wieder instand setzen. Nun musste sie sich auf die Gefahr konzentrieren, die von Desiderius ausging und der sie alle irgendwie entrinnen mussten. »Wie geht es Allison?«
»Einigermaßen. Ihre Mutter ist bei ihr im Krankenhaus. Da fahre ich gerade hin. Während wir telefonieren, sitze ich in meinem Auto … Übrigens, niemand weiß, wo Terminator steckt.«
»In meiner Obhut.«
»Danke, Schwesterchen«, seufzte Tabitha erleichtert, »du hast was gut bei mir. Wo bist du jetzt?«
Amanda zögerte. Vor dieser Frage hatte sie sich gefürchtet. Wenn Tabby die Wahrheit erfuhr, würde sie ausflippen. »Das verrate ich dir lieber nicht.«
Schweigen, das sich in die Länge zog.
Nur Verkehrslärm drang aus dem Hörer. Amanda erschrak.
Verdammt, sie versucht meine Gedanken zu lesen …
Und da sagte Tabitha auch schon: »Du bist wieder bei diesem Vampir. Nicht wahr?«
Amanda stöhnte. Wie sollte sie einer Vampir-Jägerin erklären, sie habe sich in einen Vampir verknallt und würde die Nacht in seinem Haus verbringen? Bedrückt suchte sie nach Worten. »Er ist kein Vampir - genau genommen nicht -, eher wie du.«
»Oh, so wie ich? Hat er Brüste und einen Liebhaber? Macht’s ihm einfach nur Spaß, unschuldige Leute umzubringen?«
»Sei nicht so gemein, Tabitha Lane Devereaux!«, fauchte Amanda. »Ich weiß, du tötest niemanden. Und ich habe keine Lust, mit dir zu streiten. Jedenfalls ist der Typ, der mich in deinem Haus niedergeschlagen hat, eine echte Gefahr. Ganz anders als die kleinen Biester, mit denen du herumspielst. Kyrian sagt, du musst dich in Moms Haus verstecken. Und das finde ich auch.«
»Kyrian? Ist das dieses Schreckgespenst, das mir gedroht hat, dich zu ermorden, wenn ich seine Anweisungen nicht befolge?«
»So hat er das nicht gemeint.«
»Wirklich nicht? Würdest du dein Leben drauf wetten?«
»Meines und deines.«
»Du bist verrückt.«
»Hüte deine Zunge, kleines Mädchen! Im Gegensatz zu dir weiß ich, was ich tue. Ich vertraue Kyrian. Und dieser Desiderius ist tatsächlich ein Ekel, ein richtiger Bösewicht. Wie Hannibal Lecter.« Amanda hörte ein verächtliches Schnaufen.
»Vor solchen Kerlen fürchte ich mich nicht.«
»Vielleicht solltest du das Fürchten lernen. Was mich angeht - ich sterbe fast vor Angst.«
»Warum kommst du dann nicht nach Hause, wo wir dich beschützen könnten?«
Weil ich bei Kyrian bleiben möchte. Was diesen Gedanken bewirkte, wusste Amanda nicht. Jedenfalls stand es einwandfrei fest - bei ihm fühlte sie sich sicher und geborgen. Und er hatte ihr auch gar nicht angeboten, er würde sie woandershin bringen. Wenn sie es verlangte, würde er es zweifellos tun. Doch sie wollte es nicht.
Das wagte sie ihrer Schwester nicht
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