Naechtliche Versuchung - Roman
zu gestehen. Im Augenblick waren sie ohnehin nicht die besten Freundinnen. Und so gebrauchte sie die einzige Ausrede, die ihr einfiel. »Weil es nicht geht, solange diese Bestie hinter mir her ist.«
Tabitha fluchte. »Um ehrlich zu sein - allmählich glaube ich, dein Kyrian hat dich einer Gehirnwäsche unterzogen.«
Belustigt erinnert sich Amanda an die Fabrik, wo sie dieses Thema mit Kyrian erörtert hatte. »Da irrst du dich - dafür bin ich viel zu willensstark, genau wie du. Außerdem ist er mit Julian Alexander befreundet. Zu Grace und ihrem Mann hast du doch Vertrauen?«
»Natürlich.«
»Dann solltest du auch ihrem Freund vertrauen.«
»Okay«, stimmte Tabitha widerstrebend zu. »Unter Vorbehalt. Wenn dir etwas zustoßen würde, wäre das schrecklich für mich.«
»Und ich will nicht, dass dir was passiert. Kyrian sagt, tagsüber wärst du in Sicherheit. Aber sobald die Sonne versunken ist, musst du zu Mom gehen und bei ihr bleiben. Ich glaube, jetzt solltest du lieber zu ihr fahren, statt Allison zu besuchen.«
»Aber sie ist meine beste Freundin, ich muss sie sehen.«
»Und wenn du die Vampire zu ihr führst? So viel ich weiß, beobachten sie dich.«
»Verdammt, das gefällt mir gar nicht. Aber - okay, du hast Recht. Es wäre furchtbar, wenn mir die Biester zu Allison folgen würden. Bei der nächsten Kreuzung kehre ich um und fahre zu Mom. Wenn du mich brauchst, ruf mich an.«
»Klar.« Amanda legte auf und setzte sich an den kleinen Frühstückstisch am Fenster, das zu einem schönen Garten hinausging.
Zwischen Rosenspalieren erhoben sich griechische Statuen und kunstvoll gestutzte Büsche, von antiken Öllampen beleuchtet, die ein unheimliches Licht verbreiteten.
Nach ein paar Minuten kam Kyrian in einem langärmeligen schwarzen T-Shirt, das seine breiten Schultern eng umspannte, zurück. Die Ärmel hatte er hochgekrempelt, und Amanda sah eine tiefe Schnittwunde.
»Hat dich der Daimon gebissen? Oder wurdest du mit einem Messer verletzt?«
Kyrian warf einen kurzen Blick auf seinen Arm. Dann setzte er sich ihr gegenüber. »Eine Bisswunde.«
»Aber - du musst sie behandeln lassen«, meinte Amanda besorgt.
»Nein, morgen wird sie verschwinden.«
»Verwandeln dich solche Attacken nicht in einen Vampir?«
Lachend schüttelte er den Kopf. »Theoretisch betrachtet, bin ich schon einer. Und was die Verwandlung betrifft, die ist nur möglich, wenn man ein Apollit ist.«
»Also schaffen sie es gar nicht, die Menschen zu beißen und in Blutsauger zu verwandeln?«
»Das ist nur ein albernes Märchen.«
Darüber dachte sie eine Weile nach. »Woher stammen all diese falschen Vorstellungen über die Vampire?«
Bevor Kyrian antwortete, stand er auf, tranchierte das Brathuhn und füllte zwei Teller, die er auf den Tisch stellte. Dann holte er noch zwei Gläser Wein. »Die meisten Storys wurden von verschreckten Dorfbewohnern verbreitet. Seit Atlantis im Ozean versank, wurden Apolliten und Daimons verfolgt. Vor langer Zeit wusste man in allen griechischen
Stadtstaaten über die dunklen Jäger Bescheid, und wir wurden verehrt. Aber allmählich gerieten wir in Vergessenheit. Nur in Mythen und Legenden lebten wir weiter. So gefiel es Acheron und den anderen. Er ging sogar so weit, die alten Schriften über uns zu sammeln und zu verstecken.«
»Acheron?«, fragte sie und schnitt ein Stück von ihrem Hühnerschenkel ab. »Den hast schon ein paar Mal erwähnt. Wer ist er?«
»Der erste dunkle Jäger, den Artemis ausgewählt hat.«
»Lebt er immer noch?«
»O ja. Ich glaube, diese Woche verbringt er in Kalifornien.«
Erstaunt hob Amanda die Brauen, und Kyrian lächelte.
»Alle paar Tage reist er woanders hin.«
»Warum?«
»Wenn man elftausend Jahre alt ist, wird das Leben immer langweiliger. Vor einiger Zeit hat er einen Hubschrauber bauen lassen, der die Schallgrenze durchbrechen kann.«
Amanda versuchte sich vorzustellen, wie dieser älteste dunkle Jäger aussehen mochte. Dabei erinnerte sie sich an Yoda - einen kleinen, verhutzelten Greis mit graugrüner Haut, der umherwanderte und Weisheiten von sich gab.
»Bist du Acheron einmal begegnet?«
»Ja, so wie wir alle. Er bildet die neuen dunklen Jäger aus. Gewissermaßen ist er unser inoffizieller Anführer - und einem Gerücht zufolge ein Henker, von den Göttern beauftragt, jeden dunklen Jäger zu töten, der seine Grenzen überschreitet.«
»Welche Grenzen?«, flüsterte sie bestürzt.
»Nun, wir müssen einigen Gesetzen gehorchen. Zum
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