Naechtliche Versuchung - Roman
verhungert, müde und geschwächt, eilte Kyrian durch den langen Säulengang zum Hintergrund des Hauses.
»Theone!«, rief er atemlos.
Am Ende des Flurs öffnete sich eine Tür, und eine bildschöne, zierliche, blonde Frau trat heraus. Hastig schloss sie die Tür hinter sich und musterte missbilligend seine unordentliche Erscheinung.
Sie lebte, sie war unverletzt - die wunderbarste Vision, die seine anbetenden Augen jemals betrachtet hatten.
Das lange goldene Haar zerzaust, die Wangen leicht gerötet, zog sie ein dünnes weißes Laken enger um ihren Körper. »Kyrian?«, fragte sie in scharfem Ton.
Vor lauter Erleichterung spürte er Tränen in den Augen.
Dem gnädigen Zeus sei Dank, sie lebt! Er schluckte seine Tränen hinunter und riss sie an seine Brust.
Noch nie war er den Schicksalsgöttinnen so dankbar für ihre Gnade gewesen.
»Kyrian!«, fauchte sie und wand sich in seinen Armen. »Weißt du, wie spät es ist? Oh, du riechst so übel, dass ich kaum atmen kann! Lass mich los!«
Überglücklich erfüllte er ihren Wunsch und nahm ihr Gesicht in beide Hände. Vor lauter Erschöpfung konnte er sich kaum auf den Beinen halten oder klar denken. Aber er durfte nicht schlafen, ehe er seine Frau in Sicherheit wusste. »Ich muss dich von hier wegbringen. Zieh dich an.«
»Wohin soll ich dich begleiten?«, fragte sie unwillig.
»Nach Thrakien.«
»Nach Thrakien?«, wiederholte sie entgeistert. »Bist du verrückt?«
»Nein. Ich habe gehört, dass die Römer auf dem Weg hierher sind. Deshalb bringe ich dich zu meinem Vater. Beeil dich!«
Statt zu gehorchen, schüttelte sie den Kopf, heißer Zorn stand in den grauen Augen. »Seit sieben Jahren hast du nicht mehr mit deinem Vater gesprochen. Warum glaubst, er würde mich in seine Obhut nehmen?«
»Gewiss wird er mir verzeihen, wenn ich ihn darum bitte.«
»O nein, er wird uns beide hinauswerfen. Was er von mir hält, hat er in aller Öffentlichkeit verkündet. Oft genug wurde ich in meinem Leben schon gekränkt. Soll ich mir auch noch anhören, wie er mich eine Hure nennt? Außerdem
möchte ich meine Villa nicht verlassen. Hier fühle ich mich wohl.«
Kyrian achtete nicht auf ihre Worte. »Mein Vater liebt mich, und er wird meinen Wunsch erfüllen. Das wirst du schon sehen. Zieh dich jetzt an.«
Theone spähte an seiner Schulter vorbei. »Lass ein Bad für deinen Herrn vorbereiten, Polydus«, befahl sie dem alten Diener, der hinter Kyrian wartete. »Bring ihm etwas zu essen und einen Krug mit Wein.«
»Bitte, Theone …«
»Still, mein Herr«, unterbrach sie Kyrian und legte einen Finger auf seine Lippen. »Es ist mitten in der Nacht. Und du siehst ziemlich mitgenommen aus. Wenn du dich gestärkt und gebadet hast, musst du ausschlafen. Morgen werden wir besprechen, wie du für meine Sicherheit sorgen kannst.«
»Aber die Römer …«
»Hast du sie auf dem Weg hierher gesehen?«
»Nein …«
»Also droht uns vorerst keine Gefahr.«
Zu müde, um zu widersprechen, gab er zu: »Vermutlich nicht.«
»Dann komm mit mir.« Sie ergriff seine Hand und führte ihn in einen kleinen Raum, der nicht am Hauptkorridor lag.
Zunächst sah Amanda nur ein Kaminfeuer und brennende Kerzen. Dann erblickte sie Kyrian, der in einer vergoldeten Wanne lag, Theone wusch ihn.
»Wie schmerzlich ich dich vermisst habe, ahnst du gar nicht.« Liebevoll drückte er ihre Hand an seine bärtige Wange. »Deine zärtliche Berührung entschädigt mich für alle Mühe und Plage.«
Theones Lächeln ereichte ihre Augen nicht. »Wie ich höre, hast du Thessalien den Römern entrissen«, bemerkte sie und reichte ihm einen Weinkelch.
»Ja, Valerius war wütend. Ich kann es kaum erwarten, nach Rom zu marschieren. Diese Stadt werde ich erobern.« Er leerte den Kelch und stellte ihn beiseite. Dann griff er nach seiner Frau und zog sie zu sich in die Wanne.
»Kyrian!« Verblüfft rang sie nach Atem.
»Pst«, hauchte er an ihren Lippen, »küss mich.«
Obwohl sie seiner Aufforderung folgte, spürte er ihre Kälte.
»Was stimmt denn nicht, mein Liebes?«, fragte er und rückte ein wenig von ihr ab, um ihr Gesicht zu betrachten. »Heute Nacht erscheinst du mir so fremd. Bist du mit deinen Gedanken woanders?«
Da nahm ihre Miene sanftere Züge an. »Nein«, erwiderte sie. Während sie rittlings auf seinen Hüften saß, nahm sie ihn in sich auf. »Ich bin nur müde.«
Stöhnend genoss er ihre aufreizenden Bewegungen. »Verzeih mir, dass ich dich geweckt habe. Ich wollte nur wissen, ob du
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