Naechtliche Versuchung - Roman
rann.
Nachdem Valerius auch das andere Knie seines Gefangenen zerschlagen hatte, holte er eine glühende Eisenstange
aus dem Kamin. »Nur eine einzige Frage: Wo hat sich dein Heer verkrochen?«
Wortlos verengte Kyrian die Augen, und das heiße Eisen wurde an seinen Innenschenkel gedrückt …
Amanda vermochte die Wunden nicht mehr zu zählen, die Valerius seinem Opfer zufügte. Stunde um Stunde, Tag für Tag. Wieso blieb ein Mensch, der so gnadenlos gefoltert wurde, am Leben?
Erschrocken rang sie nach Luft, als ein Folterknecht eiskaltes Wasser in Kyrians Gesicht schüttete.
»Glaub bloß nicht, du könntest dich in eine Ohnmacht flüchten oder verhungern, wenn ich es nicht wünsche!« Valerius packte Kyrians Haare, riss seinen Kopf nach hinten und schüttete ihm Brühe in die Kehle.
Gepeinigt ächzte Kyrian, als die brennende, salzige Flüssigkeit seine aufgesprungenen Lippen benetzte.
»Trink das, verdammt!«, befahl Valerius, und Kyrian verlor erneut die Besinnung.
Sofort weckte ihn ein weiterer kalter Wasserguss.
Tage und Nächte gingen ineinander über, während Valerius seinen Gefangenen unbarmherzig quälte. Immer wieder stellte er dieselbe Frage: »Wo ist dein Heer?«
Kyrian schwieg. Kein einziges Mal stieß er einen Schrei aus. Stattdessen biss er die Zähne zusammen, und der Römer musste sie gewaltsam auseinander schieben, um ihn zwangsweise zu ernähren.
»Verzeih die Störung, mein Herr …« Ein Soldat betrat die Folterkammer, als Valerius wieder einmal an den Eisenringen drehte und Kyrians Gliedmaßen streckte. »Draußen wartet ein Bote aus Thrakien, der dich sprechen möchte.«
Beinahe hörte Kyrians Herz zu schlagen auf. Zum ersten Mal seit Wochen schöpfte er Hoffnung.
Sein Vater?
Neugierig musterte Valerius seinen Untergebenen. »Oh, das könnte amüsant werden. Schick ihn herein!«
Der Mann verschwand, und wenige Minuten später führten zwei andere Soldaten einen gut gekleideten älteren Mann in die Kammer.
Sobald er die blutige, grausam misshandelte Gestalt auf dem Steinblock erkannte, stockte sein Atem. Kyrians Onkel vergaß seine Würde und rannte zu ihm. Die blauen Augen voller Sorge, berührte er vorsichtig einen gebrochenen Arm. »Beim Zeus, was haben sie mit dir gemacht?«, flüsterte er.
Mitfühlend spürte Amanda die ungeheure Verzweiflung und die Scham, die Kyrian angesichts seines Onkels erfüllten, das Bedürfnis, die Gewissensqualen in Zetes’ Blick zu lindern. Er wollte den alten Mann bitten, den Vater zu fragen, ob er dem verblendeten Sohn verzeihen würde.
Aber als er den Mund öffnete, um zu sprechen, rang sich nur ein heiserer Klagelaut aus seiner Kehle, und seine Zähne klapperten hörbar. Sein trockener Hals brannte, und es dauerte eine Weile, bis er seine ganze, noch verbliebene Willenskraft
aufbot und mit bebenden Lippen hervorwürgte: »Onkel …«
»Ach, kann er tatsächlich sprechen?«, spottete Valerius und trat näher. »Vier Wochen lang hat er kein einziges Wort gesagt.« Grinsend legte er ein glühend heißes Eisen an den Schenkel des Gefangenen, der zusammenzuckte und die Zähne wieder zusammenpresste.
»Hör auf!«, rief Zetes und stieß Valerius von seinem Neffen weg. Über seine Wangen rollte Tränen. Behutsam wischte er Blut von Kyrians geschwollenen Lippen. Dann wandte er sich an den römischen Feldherrn. »Draußen stehen zehn Wagen voller Gold und Juwelen. Wenn du Kyrian freilässt, sollst du noch mehr erhalten. Das hat sein Vater versprochen. Außerdem wurde ich bevollmächtigt, Thrakien deiner Herrschaft zu unterstellen. Und seine Schwester, Prinzessin Althea, bietet sich dir als Sklavin an. Für all das musst du mir nur erlauben, meinen Neffen nach Hause zu bringen.«
Nein, hörte Amanda den stummen Schrei, der in Kyrians ausgedorrter Kehle steckte.
»Nun, das werde ich dir vielleicht gestatten«, entgegnete Valerius. »Wenn er hingerichtet wurde.«
»Unmöglich!«, protestierte Zetes. »Er ist ein Prinz, und du darfst nicht …«
»Nein, er ist kein Prinz. Wie jedermann weiß, wurde er enterbt. Das hat sein Vater in aller Öffentlichkeit verkündet.«
»Und widerrufen!«, betonte Zetes. Mit einem sanften, beruhigenden
Lächeln wandte er sich zu Kyrian. »Er trug mir auf, dir zu sagen, jene bösen Worte habe er nicht ernst gemeint. Damals war er töricht und blind. Er hätte dir vertrauen und auf dich hören sollen. Sei versichert, dein Vater liebt dich. Jetzt kennt er nur noch einen einzigen Wunsch - du sollst nach Hause
Weitere Kostenlose Bücher