Naechtliches Schweigen
Haftbefehl beantragen.«
»Das will ich nicht. Ich muss die Sache hinter mich bringen. Michael, ich kann mit dir nicht darüber reden.«
Er schwieg einen Moment, da er spürte, dass ihre Angst nachließ und er sie nicht in neuerliche Schrecken versetzen wollte.
»Gut. Ich kenne einige Einrichtungen, an die du dich wenden kannst. Dort gibt es Leute, die deine Situation verstehen.«
Glaubte er wirklich, dass irgendwer ihre Situation verstehen konnte? »Ich will mit niemanden reden. Und ich will schon gar nicht, dass alle Welt davon in der Zeitung liest - am Frühstückstisch womöglich. Halt dich doch einfach da raus. Das geht dich überhaupt nichts an.«
»Wirklich nicht?« antwortete er ruhig. »Wirklich nicht, Emma?«
Auf einmal schämte sich Emma ihrer harten Worte. In seinen Augen las sie etwas, das sie dringend brauchte - wenn sie nur den Mut hätte, seine Hilfe anzunehmen. Er bat sie nur um ihr Vertrauen. Doch sie hatte schon einmal einen Menschen ihr Vertrauen geschenkt.
»Michael, das ist mein Problem, und damit werde ich alleine fertig.«
Jedes weitere Wort könnte alles zerstören. Michael gab nach. »Gut. Aber denk bitte darüber nach. Du musst das nicht alleine durchstehen«
»Er hat mir all meine Selbstachtung genommen«, erwiderte sie langsam. »Wenn ich mich nicht selber wehre, dann werde ich sie nie zurückgewinnen. Und jetzt bring mich bitte ins Hotel, ich bin furchtbar müde.«
30
Dieses Luder glaubt wirklich, sie würde damit durchkommen, dachte Drew. Sie meint, sie könne einfach zur Tür hinausspazieren, und das wär's dann gewesen. Aber er würde es ihr schon zeigen, sobald er sie gefunden hatte. Und er würde sie finden. Er bedauerte zutiefst, sie vor ihrer Abreise nicht grün und blau geschlagen zu haben.
Er hätte sie nicht aus den Augen lassen sollen. Man konnte ihr nicht trauen. Die einzigen Frauen, denen ein Mann trauen konnte, waren die Nutten. Die machten die Beine breit, nahmen das Geld, und fertig.
Dass Emma die Frechheit besessen hatte, einfach abzuhauen! Diese Unverschämtheit, ihr Konto leerzuräumen und seinen Kredit zu sperren! Noch nie war er sich so gedemütigt vorgekommen wie an jenem Tag bei Bijan, wo der Verkäufer den Kaschmirmantel, den Drew sich ausgesucht hatte, mit dem kühlen Kommentar zurücknahm, seine Kreditkarte sei ungültig.
Dafür würde sie bezahlen!
Und dann hatte ihm dieser hochnäsige Anwalt die Papiere unter die Nase gehalten. Sie wollte also die Scheidung. Aber nur der Tod würde sie scheiden!
Der New Yorker Anwalt war keine große Hilfe gewesen, hatte nur herumgedruckst und ihn schließlich an eine andere Kanzlei verwiesen. Mrs. Latimer wünschte nicht, dass ihr Aufenthaltsort bekannt wurde. Nun, er würde ihren Aufenthaltsort bald herausfinden, und dann konnte sie was erleben.
Zuerst hatte er befürchtet, sie könne zu ihrem Vater geflüchtet sein. Jetzt, wo das Benefizkonzert vor der Tür stand und seine Pläne für eine Solokarriere Formen annahmen, hätte es ihm gerade noch gefehlt, einen so einflussreichen Mann wie Brian McAvoy gegen sich zu haben. Doch dann rief Brian an, um Emma über den Tod ihrer Mutter zu informieren. Gott sei Dank hatte er, Drew, sofort geschaltet und Brian erzählt, Emma sei mit ein paar Freundinnen ausgegangen. Er war überzeugt, dass er genau das richtige Maß an Bestürzung und Verständnis in seine Stimme gelegt hatte, als er versprach, Emma von dem traurigen Ereignis zu berichten.
Wenn McAvoy nicht wusste, wo sein Miststück von Tochter war, dann wussten es die anderen Bandmitglieder auch nicht. Die hielten zusammen wie Pech und Schwefel. Drew dachte an Bev, aber er war eigentlich sicher: Wenn Emma in London wäre, hätte ihr alter Herr davon Wind bekommen.
Oder vielleicht steckten sie alle unter einer Decke, lachten hinter seinem Rücken über ihn. In diesem Fall würde Emma die Quittung bekommen - mit Zinsen.
Seit über zwei Wochen war sie verschwunden. Er hoffte fast, sie habe sich gut amüsiert, denn sie würde für jede Stunde teuer bezahlen.
Drew zog beim Gehen die Schultern hoch, da der eisige Wind an seiner Lederjacke, die die schlimmste Kälte abhalten sollte, zerrte. Aber die Wut, die sich in ihm aufgestaut hatte, wärmte ihn. Grinsend überquerte er die Straße und ging zu Emmas alter Wohnung.
Er war mit der U-Bahn gekommen, ein deprimierendes Erlebnis, doch unter diesen Umständen sicherer als ein Taxi. Es war höchste Zeit, etwas zu unternehmen... etwas für Marianne sehr Unangenehmes. Bei
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