Naechtliches Schweigen
dass er einer der wenigen Menschen war, in dessen Gegenwart sie diese Angst nicht verspürte. Ein gewisses Unbehagen vielleicht, doch keine Angst.
»Du machst das prima.«
»Ich bin fünffacher Weltmeister im Gemüseputzen.« Emma schob ihn beiseite. »Wirf schon mal den Grill an, ja?«
Etwas später brachte sie die Salatschüssel in den Garten, vergewisserte sich, dass er wenigstens mit den Steaks zurechtkam, und verschwand wieder im Haus. Womit sollte sie bloß den Tisch decken? Sie hatte lediglich eine Riesenpackung Pappteller im Küchenschrank entdeckt. Eine genauere Inspektion förderte drei leere Bierdosen, einen Karton mit Ketchup- und Senftütchen sowie einen ungeheuren Vorrat an Fertiggerichten zutage, bloß keine Teller. Als sie die Spülmaschine öffnete, stellte sie fest, dass er dort seine schmutzige Wäsche hortete, und fragte sich, ob es wohl irgendwo im Haus eine mit Geschirr gefüllte Waschmaschine gab.
Schließlich entdeckte sie in der Mikrowelle zwei Teller und zwei Steakmesser samt Gabeln.
Als die Steaks gar waren, hatte sie den Tisch gedeckt, so gut sie konnte.
»Ich konnte kein Salatdressing finden.«
»Richtig. Hab' ich vergessen.« Michael legte die Steaks auf den Teller. Jetzt, wo sie hier war und sich offensichtlich wohl fühlte, wie sie so dasaß, ihn anlächelte und mit einer Hand Conroys Kopf kraulte, schalt er sich einen Idioten, weil er versucht hatte, den perfekten Hausmann zu spielen.
Falls sie sich diesmal wirklich näherkommen sollten, wäre es besser, diese Beziehung nicht unter Vorspielung falscher Tatsachen zu beginnen.
»Paß auf, dass Conroy nicht auf dumme Gedanken kommt«, rief er ihr zu, als er über das kleine Gartentor kletterte. Kurz darauf brachte er eine Flasche Salatsauce und eine dicke blaue Kerze mit. »Schönen Gruß von Mrs. Petrowski.«
Lachend blickte Emma zum Nachbarhaus, wo eine Frau gerade den Kopf zur Hintertür hinausstreckte. Es erschien ihr ganz natürlich, der Nachbarin kurz zuzuwinken.
»Sind das ihre Teller?«
»Ja.«
»Hübsch.«
»Diesmal wollte ich dir mehr bieten als Hamburger am Strand.«
Emma reichte ihm die Salatschüssel. »Ich bin wirklich froh, dass du mich eingeladen hast. Wir hatten damals in New York nicht viel Zeit füreinander. Ich hätte dir so gern die Stadt gezeigt.«
»Nächstes Mal«, meinte er und schnitt in sein Steak.
Die Mahlzeit zog sich bis zum Einbruch der Dämmerung hin. Emma hatte beinahe vergessen, wie schön es sein konnte, sich über belanglose Dinge zu unterhalten, bei Kerzenschein und Musik im Garten zu sitzen und den Abend zu genießen. Conroy, der die Hälfte ihres Steaks verspeist hatte, lag zu ihren Füßen und schnarchte zufrieden. Zum erstenmal nach dem monatelangen Nervenkrieg vermochte sie sich ein wenig zu entspannen.
Michael bemerkte die Veränderung, die mit ihr vorging. Ganz langsam, quasi Stück für Stück schien ihre innere Verkrampfung nachzulassen. Kein Wort hatte sie bisher über ihre Ehe oder die Trennung von ihrem Mann verloren, ein Umstand, den Michael äußerst ungewöhnlich fand. Viele seiner Freunde hatten sich scheiden lassen und während der gesamten Zeit und auch noch danach von nichts anderem mehr geredet.
Als Rosemary Clooneys verführerisch Stimme aus dem Radio klang, stand er auf und zog Emma hoch. »Nach den Oldies kann man am besten tanzen«, erklärte er, obwohl Emma abwehrend die Hand hob.
»Aber ich möchte wirklich nicht...«
»Stell dir vor, was Mrs. Petrowski für Augen machen wird.« Sanft drückte er Emma an sich, bemüht, die Umarmung rein freundschaftlich zu halten.
Unwillkürlich passte Emma sich seinen Bewegungen an, schloss die Augen und konzentrierte sich darauf, sich zu entspannen, die Gefühle, die in ihr aufstiegen, zu ignorieren. Sie wollte ihren inneren Frieden nicht aufs Spiel setzen.
Der Wind hatte sich beinahe gelegt. Langsam bewegten sie sich im Rhythmus der Musik und warfen in der aufsteigenden Dämmerung schwarze, tanzende Schatten auf das Gras. Seufzend öffnete Emma die Augen. Am Horizont ging die Sonne in einer rotschimmernden Farbenglut unter.
»Als ich heute abend auf dich gewartet habe, da ist mir klargeworden, dass wir uns schon achtzehn Jahre lang kennen.« Michael streichelte mit einem Finger über ihre Hand. Diesmal zuckte sie nicht zurück, sondern hielt ganz still. »Achtzehn Jahre«, wiederholte er. »Und die Tage, die ich mit dir verbracht habe, kann ich an zehn Fingern abzählen.«
»Als wir uns das erstemal getroffen
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