Naechtliches Schweigen
dem Gedanken lachte Drew laut auf. Es würde ihm ein besonderes Vergnügen sein.
Emma hatte ihn angelogen. Marianne war auf der Beerdigung gewesen. Er hatte Fotos von den beiden in der Zeitung gesehen. Und es war so sicher wie das Amen in der Kirche, dass Marianne in der ganzen Sache mit drin hing. Sie wusste, wo Emma sich versteckt hielt. Und wenn er erst mal mit ihr fertig war, würde sie darum betteln, es ihm verraten zu dürfen.
Der Schlüssel, den Emma ihm vor Monaten gegeben hatte, passte noch. Drew drückte die Codenummer, um den Fahrstuhl zu öffnen. Hoffentlich lag sie noch im Bett.
In der Wohnung herrschte Stille. Leise schlich Drew durch das Zimmer und die Treppe hinauf. Vor lauter Vorfreude klopfte sein Herz wie wild. Um so größer war die Enttäuschung, als er das leere Bett sah. Die Laken waren zwar zerknittert, jedoch kalt. Vor lauter Frust begann er, die Wohnung kurz und klein zu schlagen. Es dauerte fast eine Stunde, bis er sich abreagiert hatte i indem er die Kleider zerfetzte, Glas und Porzellan zertrümmerte und sämtliche Polstermöbel mit einem großen Fleischermesser aus der Küche aufschlitzte.
Dann fielen ihm die Bilder ein, die oben im Studio gestapelt waren. Mit gezücktem Messer machte er sich auf den Weg, als das Telefon klingelte. Bei dem Geräusch schrak er zusammen. Blut tropfte von seiner Lippe, die er sich in seiner Zerstörungswut aufgebissen hatte.
Nach dem vierten Läuten schaltete sich der Anrufbeantworter ein.
Als Emmas Stimme erklang, hätte er beinahe den Hörer von der Gabel gerissen, aber er konnte sich gerade noch beherrschen. »Entweder bist du noch im Bett oder du steckst bis zu den Ellbogen in Farbe, also ruf mich zurück, möglichst noch heute vormittag. Ich will nämlich später zum Strand, Wellenreiten üben. Zehn Sekunden kann ich mich schon halten. Sei nicht neidisch, aber hier in L. A. hat es schon fast dreißig Grad. Ruf zurück, ja?«
L. A., dachte Drew. Er drehte sich um und starrte lange auf Emmas Bild an der Wand.
Emma war schon beinahe zur Tür hinaus, als Marianne anrief. Sorgfältig verschloss sie die Tür hinter sich, ehe sie ans Telefon ging.
»Hi.« Mariannes Stimme klang schläfrig und zufrieden.
»Selber Hi. Bist du gerade erst aufgestanden? In New York muss es doch schon Mittag sein.«
»Ich bin noch nicht auf.« Marianne kuschelte sich in die Kissen. »Ich liege noch im Bett, in dem des Zahnarztes, um genau zu sein.«
»Macht er dir eine Füllung?«
»Sagen wir, er hat Qualitäten, die über die Zahnmedizin hinausgehen. Ich habe per Fernabfrage meinen Anrufbeantworter abgehört. Wie geht's dir?«
»Prima. Ehrlich.«
»Freut mich zu hören. Ist Michael auch am Strand?«
»Nein, bei der Arbeit.«
Marianne rümpfte die Nase. Wenn sie schon nicht selbst auf Emma aufpassen konnte, dann verließ sie sich darauf, dass der Cop diese Aufgabe übernahm. Nebenan rauschte die Dusche. Warum kam ihr neuer Liebhaber denn nicht ins Bett zurück, anstatt Körperpflege zu betreiben? »Karies oder schwere Jungs, ein Mann muss seine Pflicht tun. Hör zu, ich denke daran, in ein paar Wochen runterzukommen.«
»Um zu sehen, ob ich okay bin?«
»Genau. Und um diesen Michael kennenzulernen, den du mir all die Jahre vorenthalten hast. Mach's gut, Emma. Ich ruf' morgen wieder an.«
Michael mochte den Streifendienst. Papierkram und stundenlange Telefonate lagen ihm weniger. Er zog die Hektik der Straße vor.
Am Anfang hatte er viel Spott über sich ergehen lassen müssen. Der Sohn des Captains. Teils waren die Bemerkungen gutmütiger Natur, teils nicht. Er hatte sich seine Dienstmarke hart erkämpft.
Von einem verlassenen Schreibtisch klaute er einen Doughnut, den er im Stehen verzehrte und dabei die Zeitung durchblätterte, die ein Kollege neben der Kaffeemaschine liegengelassen hatte.
Zuerst widmete er sich dem Comicteil. Nach einer Nacht wie dieser brauchte er etwas Aufheiterndes. Dann wandte er sich dem Sportteil zu, blätterte mit einer Hand weiter und hielt die Kaffeetasse in der anderen.
JANE PALMER STIRBT AN ÜBERDOSIS
Jane Palmer (46), frühere Geliebte von Brian McAvoy und Mutter der gemeinsamen Tochter Emma, wurde in ihrer Londoner Wohnung tot aufgefunden. Als Todesursache nimmt die Polizei Drogenmissbrauch an. Die Leiche wurde am Sonntagnachmittag von einem gewissen Stanley Hitchinson entdeckt.
Der Artikel enthielt zwar nur die spärlichen Tatsachen, unterstellte zwischen den Zeilen aber Selbstmord. Fluchend warf Michael die Zeitung auf
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