Naechtliches Schweigen
dementsprechende Beziehungen.«
»Haben Sie den Brief gesehen, den sie an unsere Abteilung geschickt hat?«
»Deswegen rollen wir den Fall ja wieder auf, Detective. Wenn der Mord hier mit einem Mord in Ihrem Land in Verbindung steht, dann können Sie auf unsere Unterstützung zählen.« Carlson schob die Brille wieder auf seine Nase. »Es ist zwar schon zwanzig Jahre her, aber keiner von uns hat den Fall Darren McAvoy vergessen.«
Nein, niemand hatte ihn vergessen, dachte Michael, als er sich in Brians eichengetäfeltem Büro niederließ und den Mann beobachtete, der den Brief seiner früheren Geliebten las.
Ein lustig flackerndes Feuer wärmte den Raum. Gemütliche Sessel vor dem Kamin luden zum Sitzen ein. Die Wände und Regale waren voll von Preisen, Auszeichnungen und Fotos. Eine Bar in der Ecke des Raumes enthielt nur Mineralwasser und alkoholfreie Getränke. Michael wartete, bis Brian ihn ansah.
»Ich habe alles mit meinem Vater besprochen. Wir sind der Meinung, Sie sollten davon erfahren.«
Verstört griff Brian zu einer Zigarette. »Du hältst den Brief für echt?«
»Ja.«
Brian hantierte mit seinem Feuerzeug herum. In der untersten Schublade seines Schreibtisches lag eine noch nicht angebrochene Flasche irischen Whiskys, eine Prüfung, die er sich selbst auferlegt hatte, seit er vor sechs Wochen den letzten Tropfen getrunken hatte.
»Und ich habe geglaubt, ich wüsste, wozu sie fähig ist. Ich kann das einfach nicht verstehen.« Er sog den Rauch so gierig ein wie ein Ertrinkender die rettende Luft. »Warum hätte sie Darren etwas zuleide tun sollen?« Er vergrub sein Gesicht in den Händen. »Das galt mir. Mich wollte sie treffen.«
»Wir glauben immer noch, dass Darrens Tod ein Unfall war.« Die Worte waren wohl kaum ein großer Trost, dachte Michael. »Natürlich wollte man ein Lösegeld erpressen.«
»Ich habe Jane doch schon für Emma bezahlt. Sie hätte das Kind umgebracht, direkt vor meinen Augen. In ihrem Jähzorn hätte sie das fertiggebracht. Aber einen solchen Plan auszuhecken...« Brian schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht glauben, dass der von ihr stammt.«
»Sie hatte Hilfe.«
Brian erhob sich und wanderte durch den Raum. Greifbare Beweise seines Erfolges schmückten die Wände; goldene Schallplatten, Grammys, American Music Awards. Alles Zeichen dafür, dass er mit seiner Musik etwas Unvergängliches geschaffen hatte.
Dutzende von Fotos hingen daneben. Devastation gestern und heute, Brian zusammen mit anderen Sängern, Musikern, Politikern, die er unterstützt hatte, Berühmtheiten des Showgeschäfts. Dazwischen hing ein gerahmter Schnappschuß von Emma und seinem toten Sohn, die am Ufer eines Baches saßen und in die Kamera lächelten. Auch diese beiden hatte er geschaffen.
Zwanzig Jahre waren vergessen, und er saß wieder im Gras in der Sonne und hörte das Lachen seiner Kinder. »Ich glaubte, ich hätte all das hinter mir.« Brian rieb sich die Augen und wandte sich von dem Bild ab. »Ich möchte nicht, dass Bev davon erfährt, jetzt noch nicht. Ich werde es ihr selbst sagen, wenn ich es für richtig halte.«
»Das liegt bei Ihnen. Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass ich den Fall wieder aufnehmen werde.«
»Bist du so engagiert wie dein Vater?«
»Ich denke schon.«
Brian nahm diese Aussage wortlos zur Kenntnis. Doch er musste an sein anderes Kind denken. »Was ist mit Emma? Soll sie das alles noch einmal durchmachen?«
»Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um Emma unnötige Aufregung zu ersparen.«
Brian öffnete eine Flasche Ginger Ale, ein armseliger Ersatz für Whisky. »Bev ist der Meinung, dass du in sie verliebt bist.«
»Das ist richtig.« Michael lehnte den ihm angebotenen Drink ab. »Ich möchte sie heiraten, sobald sie dazu bereit ist.«
Brian trank die Flasche in einem Zug leer. Sein Durst schien unstillbar. »Ich habe ihre Beziehung zu Drew entschieden abgelehnt, allerdings aus den falschen Motiven. Wenn ich sie nicht so bedrängt hätte, wenn ich nicht so dagegen gewesen wäre, ob sie dann gewartet hätte?«
»Latimer war auf Sie aus und auf das, was Sie für ihn tun konnten. Ich will nur Emma und nichts anderes.«
Seufzend ließ Brian sich wieder in seinen Stuhl sinken. »Emma war schon immer der schönste und beständigste Teil meines Lebens. Etwas, was ungewollt und ungeplant entstanden ist und sich als das größte Glück überhaupt erwiesen hat.« Der Anflug eines Lächelns erschien auf seinem Gesicht und machte ihn plötzlich
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