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Naechtliches Schweigen

Naechtliches Schweigen

Titel: Naechtliches Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
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seiner Tochter sehr ähnlich. »An jenem Tag in P. M. s furchtbarem Haus, als Emma dich vom Strand mitgebracht hat, da hast du mich schon verunsichert. Ich habe dich angesehen und gedacht, dieser Junge wird mir Emma fortnehmen. Muss mein irisches Erbe sein«, sagte er.
    »Wir Iren sind alle entweder Säufer, Dichter oder Seher. Anscheinend bin ich alles auf einmal.«
    »Ich kann sie glücklich machen.«
    »Ich nehme dich beim Wort.« Brian betrachtete den Brief ein letztes Mal. »Genau so wichtig wie die Suche nach dem Mörder meines Sohnes ist mir das Glück meiner Tochter.«
    »Papa, P. M. und Annabelle sind mit dem Baby da. Ach, entschuldige bitte.« Emma blieb stehen, die Hand noch immer an der Türklinke. »Ich wusste nicht, dass du hier bist, Michael.«
    »Du warst gerade einkaufen, als ich zurückkam.« Möglichst unauffällig entfernte Michael den Umschlag und ließ ihn in seine Tasche gleiten.
    »Ist etwas nicht in Ordnung?«
    »Nein, nein.« Brian kam um den Schreibtisch herum und gab ihr einen Kuss. »Ich habe nur Michael ins Gebet genommen. Er scheint ernsthafte Absichten auf meine Tochter zu haben.«
    Fast hätte sie ihm das abgenommen, doch dann sah sie in seine Augen. »Was ist los?«
    »Das habe ich dir eben gesagt.« Brian legte ihr einen Arm um die Schulter und wollte sie aus dem Zimmer schieben, doch sie drehte sich zu Michael um.
    »Lügt mich nicht an!«
    »Ich habe Absichten auf seine Tochter«, konterte Michael.
    Emma schüttelte den Arm, der um ihre Schulter lag, energisch ab. »Zeigst du mir bitte mal den Brief da in deiner Tasche?«
    »Ja, aber nicht jetzt.«
    »Papa, würdest du uns bitte einen Moment alleine lassen?«
    »Emma...«
    »Bitte.«
    Widerstrebend schloss Brian die Tür hinter sich.
    »Ich habe Vertrauen zu dir, Michael«, begann sie dann. »Wenn du mir sagst, dass Papa und du wirklich nur über unsere Beziehung gesprochen habt, dann glaube ich dir.«
    Michael setzte schon zu einer Lüge an, dann besann er
    sich. »Nein, das ist nicht alles, worüber wir gesprochen haben. Setz dich doch bitte.«
    Das würde unangenehm werden. Unwillkürlich faltete Emma die Hände im Schoß, wie sie es zuletzt als Schulmädchen getan hatte, wenn sie das, was sie erwartete, fürchtete. Statt zu sprechen, nahm Michael den Brief aus der Tasche und reichte ihn ihr.
    Als sie den Absender sah, rann ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Die Botschaft einer Toten, dachte sie und wünschte, sie könnte über diesen pathetischen Satz lachen. Dann öffnete sie den Umschlag und las den Brief schweigend durch.
    Sie war ihrem Vater so ähnlich, stellte Michael fest. Ihr Gesichtsausdruck, die Trauer in ihren Augen, die Art, wie sie dasaß. Ehe sie sich äußerte, faltete sie den Brief wieder zusammen und gab ihn Michael zurück.
    »Bist du deswegen hier?«
    »Ja.«
    Ihre dunklen, bekümmerten Augen trafen die seinen. »Es wäre mir lieber gewesen, wenn du gekommen wärst, weil du die Trennung von mir nicht länger ertragen kannst.«
    »Kann ich auch nicht.«
    Emma ließ den Kopf sinken. Es fiel ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. »Glaubst du das, was in dem Brief steht?«
    »Es geht nicht darum, was ich glaube«, erwiderte er diplomatisch. »Ich verfolge nur eine Spur.«
    »Ich glaube daran.« Emma stand das letzte Bild von Jane, die mit verbittertem Gesicht in der Tür des schmutzigen Hauses lehnte, noch deutlich vor Augen. »Sie wollte Papa verletzen. Sie wollte ihn leiden sehen. Ich erinnere mich noch ganz genau, wie sie ihn angeschaut hat, als er mich mitnahm. Ich war fast noch ein Baby, aber ich erinnere mich.«
    Sie holte tief Atem. Tränen waren hier fehl am Platze. »Wie ist es möglich, einen Menschen gleichzeitig so zu lieben und zu hassen, wie sie es tat? Wie ist es möglich, dass Liebe in solchen Haß umschlägt? Sie hat sich an der Ermordung eines kleinen Jungen beteiligt, nur weil sie Papa Leid zufügen wollte.«
    Er beugte sich zu ihr herunter und nahm den Brief, der noch immer in ihrem Schoß lag, wieder an sich. »Vielleicht. Aber mit diesem Brief hat sie etwas in Bewegung gesetzt, was uns auf die Spur des Mörders führen könnte.«
    »Ich weiß, wer es ist.« Emma schloss die Augen. »Es ist irgendwo tief in meinem Inneren begraben, aber ich weiß es. Und diesmal werde ich es herausfinden.«
    Als die Musik ertönte, stand sie, nur mit ihrem Lieblingsnachthemd bekleidet, in der dunklen Diele und hielt Charlie umklammert. Darren weinte. Sie wollte zurück ins Bett, in die

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