Naechtliches Schweigen
lassen, kam nicht in Frage. Jetzt nicht, und, wie Brian klar erkannte, auch nicht in der nahen Zukunft.
»Entschuldigung, Mr. McAvoy.«
»Ja, Alice?« Sie hatten Alice behalten, obwohl es jetzt kein Kind mehr zu betreuen gab. Alice betreute nun Bev, dachte Brian und fischte eine Zigarette aus der Packung, die er auf den Tisch geworfen hatte.
»Mr. Page möchte Sie sprechen.«
Brian musterte den Tisch, den Papierwust, die angefangenen Texte, die halbfertigen Songs. »Führen Sie ihn herein.«
»'lo, Bri.« Mit einem Blick erfasste Pete, dass hier ein Mann vor ihm stand, der sich ohne nennenswerten Erfolg zur Arbeit zwang. Zusammengeknüllte Papierbögen, eine in einem überquellenden Aschenbecher verglimmende Zigarette, ein schwacher Geruch nach Schnaps, obwohl es kaum Mittag war. »Ich hoffe, ich störe dich nicht. Wir müssen einige geschäftliche Angelegenheiten besprechen, und ich fürchte, du wirst dir nicht die Mühe machen, in mein Büro zu kommen.«
»Nein.« Brian griff nach der Flasche, die sich stets in Reichweite befand. »Willst du was trinken?«
»Jetzt noch nicht, danke.« Pete nahm Platz und rang sich ein Lächeln ab. Zwischen ihnen herrschte eine gespannte Atmosphäre. Niemand schien zu wissen, wie er mit Brian umgehen, welche Fragen er stellen und welche er vermeiden sollte. »Wie geht es Bev?« tastete Pete sich vor.
»Weiß ich nicht.« Brian rettete seine Zigarette aus dem Aschenbecher. »Sie spricht kaum noch, geht kaum noch aus dem Haus.« Seufzend stieß er den Rauch aus und bedachte Pete mit einem Blick, in dem sowohl Bitten als auch Trotz lagen. Genauso hatte er Pete vor Jahren angesehen, als er ihn bat, die Band zu managen. »Pete, sie sitzt stundenlang in Darrens Zimmer. Sogar nachts. Manchmal wache ich auf, und dann finde ich sie da. Sie sitzt bloß in diesem verfluchten Schaukelstuhl.« Er nippte an seinem Glas und nahm dann einen tiefen Schluck. »Ich weiß einfach nicht mehr, was ich machen soll.«
»Hast du mal an eine Therapie gedacht?«
»Du meinst einen Psychiater?« Brian rückte ein Stück ab. Zigarettenasche fiel auf den Teppich. Als einfacher Mann aus einer einfachen Familie vertrat er die Meinung, dass private Probleme Privatsache zu bleiben hätten. »Was würde es ihr schon helfen, über ihr Sexleben zu sprechen oder zu erwähnen, dass sie ihren Vater gehasst hat oder solchen Quatsch?«
»War nur ein Vorschlag, Bri.« Pete streckte die Hand aus, um sie dann auf die Stuhllehne fallen zu lassen. »Man kann immerhin darüber nachdenken.«
»Selbst wenn ich das befürworten würde, wie soll ich Bev dazu überreden?«
»Vielleicht braucht sie nur noch etwas Zeit. Es ist ja erst ein paar Monate her.«
»Letzte Woche wäre er drei geworden. O Gott!«
Wortlos erhob sich Pete, um Brian mehr Whisky einzuschenken. Er reichte ihm das Glas und drückte Brian dann auf den Stuhl zurück. »Hast du was Neues von der Polizei gehört?«
»Ich telefoniere oft mit Kesselring. Sie sind noch kein Stück weiter. Irgendwie macht es das schlimmer, nicht zu wissen, wer es getan hat.«
Pete setzte sich wieder. Sie mussten diese Sache hinter sich bringen und an die Zukunft denken. »Was ist mit Emma?«
»Die Alpträume haben aufgehört, und der Gips kommt bald runter. Die Schule lenkt sie zwar ein bisschen ab, aber das Ganze kommt immer wieder durch. Man liest es in ihren Augen.«
»Hat sie sich noch an etwas erinnert?«
Brian schüttelte den Kopf. »Pete, ich weiß gar nicht, ob sie überhaupt etwas gesehen oder nur schlimm geträumt hat. Emma sieht überall Monster. Ich möchte, dass sie vergisst. Irgendwie müssen wir alle weiterleben.«
Pete überlegte kurz. »Das ist einer der Gründe, warum ich hier bin. Ich möchte dich ja nicht drängen, Brian, aber die Plattenfirma würde es gern sehen, wenn ihr auf Tournee geht, sobald das neue Album heraus ist. Ich habe abgelehnt, aber ich fürchte, eine Weigerung schadet euch nur.«
»Eine Tournee heißt, Emma und Bev zu verlassen.«
»Das ist mir klar. Du brauchst mir jetzt keine Antwort zu geben. Denk erst mal drüber nach.« Pete zündete sich eine Zigarette an. »Wir können Europa, Amerika und Japan ins Programm nehmen, wenn du und die Jungs einverstanden seid. Die Arbeit könnte dir helfen, mit all dem fertig zu werden.«
»Und der Plattenumsatz würde steigen.«
Pete lächelte schwach. »Genau. Heutzutage läuft ohne Tournee gar nichts. Da wir gerade beim Thema sind: Ich habe diesen Jungen, Robert Blackpool, unter Vertrag
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