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Naechtliches Schweigen

Naechtliches Schweigen

Titel: Naechtliches Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Mord an Darren McAvoy persönlich. Er konnte das Schwarzweißfoto des Jungen, der-kaum aus dem Babyalter heraus war, einfach nicht vergessen. Das Bild hatte sich unauslöschlich in sein Hirn eingeprägt.
    Und dann das Schlafzimmer des Kindes. Blau und weiß gestrichene Wände, ein Sammelsurium an Spielsachen, sorgfältig zusammengefaltete kleine Overalls auf dem Schaukelstuhl, daneben abgewetzte Turnschuhe.
    Und die Injektionsspritze, noch immer mit Phenobarbitol aufgezogen, die in der Nähe des Bettchens gelegen hatte.
    Die Täter hatten keine Gelegenheit gehabt, sie zu benutzen, dachte Lou grimmig. Sie waren nicht mehr dazu gekommen, die Nadel in eine Vene zu stechen und den Kleinen zu betäuben. Wollten sie ihn durch das Fenster fortschaffen? Hätte Brian McAvoy einige Stunden später einen Anruf und eine Lösegeldforderung erhalten? Hätte er seinen Sohn wohlbehalten zurückbekommen?
    Jetzt würde es keinen Anruf, kein Lösegeld mehr geben.
    Lou rieb seine erschöpften Augen und ging die Treppe hoch. Amateure, grübelte er. Einbrecher, Mörder. Wo zum Teufel waren sie jetzt? Wer zum Teufel waren sie?
    Was ändert das schon?
    O doch, es änderte etwas, dachte er bei sich und ballte die Fäuste. Gerechtigkeit machte immer einen Unterschied.
    Die Tür zu Michaels Zimmer stand offen. Er hörte den leisen, regelmäßigen Atem seines Sohnes. Im fahlen Mondlicht erkannte er ein wüstes Durcheinander von Spielzeug und Kleidung auf dem Boden und dem Bett. Normalerweise hätte ihm dieser Anblick ein Seufzen entlockt. Woher kam nur Michaels Hang zur Unordnung? Sowohl er als auch seine Frau waren von Natur aus ordentlich, doch Michael hinterließ gleich einem Tornado überall Chaos und Verwüstung.
    Ja, gewöhnlich hätte er nun eine Gardinenpredigt vorbereitet, die am nächsten Morgen fällig gewesen wäre. Aber heute Nacht kamen ihm beim Anblick des Durcheinanders vor Dankbarkeit fast die Tränen. Sein Junge war in Sicherheit.
    Er bahnte sich einen Weg zum Bett und musste ein Marmeladenglas voller Matchboxautos beiseiteschieben, ehe er sich auf dem Bett niederlassen konnte. Michael schlief auf dem Bauch, das Gesicht in das Kissen gepresst, die Arme baumelnd und die Laken zerknautscht zu seinen Füßen.
    Eine Weile saß Lou nur da und betrachtete das Kind, das er und Marge hervorgebracht hatten. Das dichte dunkle Haar, Erbteil seiner Mutter, hing ihm ins Gesicht. Die Haut war sonnengebräunt, zeigte aber noch die weiche Glätte der frühen Jugend. Die gekrümmte Nase verlieh seinem Gesicht, das ansonsten fast zu hübsch für einen Jungen gewesen wäre, den nötigen Charakter. Sein kräftiger, fester kleiner Körper begann bereits in die Höhe zu schießen. Überall schillerten Kratzer und blaue Flecke.
    Zwei Fehlgeburten in sechs Jahren, dachte Lou jetzt. Dann endlich war Michael zur Welt gekommen, und in ihm vereinte sich alles, was an ihnen beiden gut war.
    Lou erinnerte sich an den Ausdruck von Brian McAvoys Gesicht, den Schmerz, den Zorn, die Hilflosigkeit. O ja, er konnte das nachempfinden.
    Michael bewegte sich leicht, als Lou ihm über die Wange strich. »Paps?«
    »Ich wollte nur gute Nacht sagen. Schlaf weiter.«
    Gähnend drehte sich Michael auf die Seite, wobei einige Autos klappernd zu Boden fielen. »Ich wollte es nicht kaputtmachen«, murmelte er.
    Unfreiwillig lächelnd, drückte Lou die Hände vor die Augen. Er wusste nicht, was es war, und es kümmerte ihn auch nicht. »Okay. Ich liebe dich, Michael.«
    Doch sein Sohn war bereits wieder tief und fest eingeschlafen.

9
    Diesmal brachte es Lou nicht fertig, den Fall objektiv zu behandeln. Nun nahm er seine Arbeit mit nach Hause und widmete sich ihr mit verbissener Hingabe. Listen, Fotos und Notizen bedeckten den Schreibtisch in einer Ecke von Marges ordentlichem Wohnzimmer. Obwohl er sich auf erfahrene und zuverlässige Mitarbeiter stützen konnte, überprüfte Lou persönlich alle Ergebnisse. Er selbst hatte jeden einzelnen auf der Liste aufgeführten Partybesucher verhört, war die gerichtsmedizinischen Berichte durchgegangen und hatte wieder und wieder Darrens Zimmer durchsucht.
    Der Mord lag nun schon zwei Wochen zurück, und Lou hatte absolut nichts in der Hand.
    Für Amateure hatten sie ihre Spuren verdammt gut verwischt, konstatierte er. Und dass es sich um Amateure handelte, stand für ihn fest. Profis hätten weder riskiert, ein Kind zu töten, das für ein fettes Lösegeld gut war, noch hätten sie auf so stümperhafte Weise einen Einbruch

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