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Naechtliches Schweigen

Naechtliches Schweigen

Titel: Naechtliches Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
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sind sie fertig?«
    Er drehte sich um und ging hinaus. »Ich habe auf dich gewartet«, hörte Emma ihn mit seidenweicher Stimme schnurren.
    »Ich wusste nicht, dass du hier bist.« Mariannes atemlose Stimme verriet ihr, dass die zwei sich küssten. »Laß uns mal einen Blick auf die Fotos werfen.«
    »Wäs willst du mit den Fotos, wenn du das Original in Lebensgröße vor dir hast?«
    »Robert...« Mariannes Protest endete in einem unterdrückten Stöhnen. »Aber Emma ist...«
    »Die ist beschäftigt. Ich hab' mich schon den ganzen Tag auf dich gefreut.«
    Emma blieb stocksteif stehen, während sich die murmelnden Stimmen entfernten. Ganz sachte schloss sie die Tür der Dunkelkammer. Nur nichts hören. Sich nur nicht vorstellen, was oben vor sich ging. Ihre Beine gaben unter ihr nach, und sie ließ sich erschöpft in einen Stuhl sinken. Die Schere fiel klappernd zu Boden.
    Er hatte sie berührt, dachte sie angeekelt. Er hatte sie berührt, und, Gott möge ihr verzeihen, sie hatte es einen Augenblick lang genossen. Seine anklagenden Worte entsprachen der Wahrheit. Sie hatte ihm die Entscheidung überlassen wollen, und dafür hasste sie ihn. Und sich selbst.
    Das Telefon neben ihr klingelte bereits eine geraume Zeit, ehe sie die Energie aufbrachte, den Hörer abzunehmen. »Ja?«
    »Emma - Emma, bist du das?«
    »Ja.«
    In der Leitung knisterte es. »Hier ist Michael. Michael Kesselring.«
    Benommen starrte Emma auf die Fotos auf ihrem Arbeitstisch. »Ja, Michael?«
    »Ich... ist alles in Ordnung? Stimmt was nicht?«
    Beinahe hätte sie laut aufgelacht. »Nein, was sollte denn nicht stimmen?«
    »Du hörst dich so komisch an.«
    Der Schock über den Zwischenfall mit Blackpool war so stark, dass sie es nicht ertragen konnte, mit einem Mann auch nur zu sprechen. »Das bildest du dir ein.«
    »Hör zu, ich muss dich sehen. Ich könnte für ein paar Tage runterkommen.«
    »Ich will dich nicht sehen.«
    »Um Himmels willen, Emma!«
    »Nein. Ich wüsste nicht, warum. Dich wiederzusehen, das würde meine Pläne stören. Verstehst du?«
    »Ja. Nein.« Es gab eine lange Pause. »Ich werde es versuchen. Viel Glück, Emma.«
    »Danke, Michael. Mach's gut.«
    Als er aufgelegt hatte, ließ Emma ihren Tränen freien Lauf. Alles nur eine Reaktion auf diese scheußliche Szene mit Blackpool, redete sie sich zu. Sie wünschte Michael wirklich nur das Beste. Fluch über ihn und alle Männer!
    Sie verschloss die Tür, drehte das Radio laut auf, warf sich auf den Boden und weinte wie nie zuvor in ihrem Leben.

21
    New York, 1986
    Die Wohnung sah aus wie nach einem Wirbelsturm. Nun, dachte Emma, man konnte Marianne alles nachsagen, nur keine übertriebene Ordnungsliebe. Im Wohnzimmer lagen Zeitschriften verstreut, zwei knallrote leere Handtaschen waren in eine Ecke geworfen worden, daneben fand sich ein einzelner hochhackiger Schuh in derselben grässlichen Farbe, und der Fußboden war mit Schallplatten übersät. Emma hob eine auf und legte sie auf den Plattenteller. Aretha Franklin.
    Lächelnd erinnerte sie sich, dass Marianne diese Platte letzte Nacht gespielt hatte, während sie ihre wüste Pack Aktion beendete. Kaum vorstellbar, dass Emma und die Wohnung jetzt fast ein Jahr lang ohne Marianne auskommen mussten.
    Eine lila Seidenbluse und ein rotes Top waren Mariannes hektischer Suche nach unbedingt erforderlichen Kleidungsstücken ebenfalls entgangen. Die Möglichkeit, ein Jahr in Paris, an der Ecole des Beaux Arts, zu studieren, war letztendlich doch zu verlockend gewesen. Emma freute sich zwar für die Freundin, aber es kam sie hart an, auf einmal mutterseelenallein in der Wohnung zu stehen.
    Einen Moment blieb sie still stehen und lauschte. Durch die Musik von Aretha Franklin drang der leise, stetige Straßenlärm, vermischt mit dem klaren, kräftigen Sopran einer Nachbarin, einer angehenden Opernsängerin, die bei geöffneten Fenstern eine Arie aus der Hochzeit des Figaro einstudierte. Emma fühlte sich plötzlich verloren. Lächerlich, schalt sie sich selbst, du bist doch nicht allein in New York. Doch genau so kam sie sich vor.
    Nicht mehr lange, ermahnte sie sich, als sie Bluse und Schuh auf der untersten Treppenstufe deponierte. Sie musste selbst ans Packen denken. In zwei Wochen würde sie in London sein und mit Devastation auf Tournee gehen, diesmal in offizieller Mission, als autorisierte Fotografin. Die Bezeichnung hatte sie sich verdient, dachte Emma zufrieden, als sie den ersten Koffer auf das Bett wuchtete. Sie hatte den

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