Naechtliches Schweigen
Chorsängerin zu irgendeiner Hollywoodveranstaltung begleitete. Bald erschienen Fotos der beiden in allen Zeitungen.
Zuerst hatte Marianne die Liaison nicht ernst genommen. Dann hatte sie versucht, ihn zu erreichen. Keine Reaktion. People brachte einen ausführlichen Bericht über Blackpools neue Liebe. Auf Mariannes Anruf hin wurde ihr mitgeteilt, Mr. Blackpool mache Urlaub auf Kreta. Er hatte die Brünette mitgenommen.
Emma erhob sich und trat ans Fenster. Noch nie zuvor hatte sie Marianne dermaßen am Boden zerstört erlebt. Ihr war ein Stein vom Herzen gefallen, als Marianne sich endlich aus ihrer Depression befreite und Blackpool mit allen Flüchen und Schimpfworten belegte, die sie kannte - und das waren nicht wenige. Dann hatte sie mit großer Geste das Diamantherz aus dem Fenster geworfen. Emma hoffte heimlich, irgendeine Stadtstreicherin möge es finden.
Sie war darüber hinweggekommen, dachte Emma belustigt, und sie hatte sich mit neuem Elan an ihre Arbeit gestürzt. Kein Künstler konnte Großes vollbringen, wenn er nicht schon einmal Kummer und Schmerz durchlebt hatte, pflegte sie zu sagen.
Emma konnte nur wünschen, sie selbst wäre imstande, so rasch zu vergessen. Sie würde sich ihr Leben lang an alles erinnern, jedes Wort, jede anklagende Beschimpfung. Ihre einzige Rache hatte darin bestanden, all seine Fotos samt den Negativen zu verbrennen.
Doch das war vorbei, sagte sie sich streng und stand auf. Ihr Problem lag darin, dass sie sich an alles viel zu klar erinnern könnte. Ob es nun ein Segen oder ein Fluch war, sie sah Dinge, die vor einem oder auch vor zwanzig Jahren geschehen waren, so glasklar und deutlich vor sich wie ihr eigenes Gesicht im Spiegel.
Bis auf eine Nacht ihres Lebens. Die lag in nebulösen Träumen verborgen.
22
Emma wählte ein Weitwinkelobjektiv und kauerte sich am Fuß der Bühne nieder. Kein Zweifel, Devastation zeigte sich bei den Proben in genauso guter Form wie bei Konzerten. Von den Aufnahmen, die sie bisher gemacht hatte, war sie sehr angetan. Im Geiste kalkulierte sie bereits, wie viel Zeit die Arbeit in der Dunkelkammer in Anspruch nehmen würde.
Im Moment fotografierte sie die leere Bühne, die Instrumente, die Anlage und die Verstärker, während sich die Gruppe eine Stunde Mittagspause gönnte. Besonders das elektrische Keyboard und der riesige Flügel faszinierten sie. Vielleicht konnte sie mit Hilfe ihrer Fotos dem Publikum die Hintergründe des Musikgeschäftes näherbringen.
Die schon arg mitgenommene Martin erinnerte sie an den Mann, der sie spielte. Stevie war genauso ein alter Hase und genauso brilliant wie das Instrument, das ihn schon seit zwanzig Jahren begleitete. Der grellbunt gemusterte Tragegurt war ihr letztes Weihnachtsgeschenk an ihn gewesen.
Neben der Martin wirkte Johnnos türkisfarbener Fender-Baß beinahe frivol. Gleich seinem Besitzer verbarg das Instrument seine wahren Qualitäten hinter einer schillernden Fassade.
Quer über die Baßtrommel von P. M.s Schlagzeug verlief das Logo der Band. Auf den ersten Blick machte die Anlage keinen besonders imponierenden Eindruck. Erst bei genauerer Betrachtung offenbarten sich die Feinheiten, wie das komplizierte Arrangement der einzelnen Elemente, die drei Paar Trommelstöcke, die blitzenden Chromteile, die P. M. stets eigenhändig polierte.
Und dann natürlich die Gibson, die ihr Vater eigens hatte anfertigen lassen. Das Instrument war offensichtlich als Gebrauchsgegenstand und nicht als Spielzeug gedacht; ohne überflüssigen Zierat, nur mit einem schlichten schwarzen Gurt ausgestattet. Doch das Holz glänzte in sattem Gold, und der Ton war so süß und rein, dass es dem Zuhörer die Tränen in die Augen trieb.
Emma senkte die Kamera und berührte mit einer Hand sanft den Gitarrenhals. Als Musik erklang, riss sie die Hand erschrocken zurück. Einen Augenblick lang kam es ihr so vor, als habe ihre Berührung die Gitarre zum Leben erweckt. Erstaunt blickte sie über die Bühne. Die magische Musik kam von hinten.
Leise ging sie den Tönen nach.
Er saß im Schneidersitz auf dem Boden vor einer Garderobe. Seine langen, elegant geformten Finger streichelten zärtlich über die Saiten, während er gedankenverloren nur für sich selbst sang.
Seine Stimme klang warm und weich. Das dunkelblonde Haar fiel wie ein Vorhang über sein Gesicht, als er sich über die Gitarre beugte. Emma schlich wortlos näher. Da sie sein Spiel nicht unterbrechen wollte, duckte sie sich vorsichtig und hob die Kamera.
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