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Naerrisches Prag

Naerrisches Prag

Titel: Naerrisches Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenka Reinerová
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ist?
    Aber jetzt war nur ich da und fuhr in Begleitung von drei Filmleuten, die sich fachkundig im Milieu der anstehenden Dreharbeit umsahen, mit dem alten Aufzug in die oberste Etage.
    An meiner damaligen Zimmertür prangte ein weißes Schild mit einer dicken schwarzen Aufschrift: »Maschinenraum«.
    Maschinenraum? So bezeichnet man jetzt in Prag die Waschküchen? Oder wollte mich die Rothaarige mit dieser Behauptung nur schnell loswerden?
    Die Fernsehleute installierten die Kameras, besorgten den Stromanschluß, der Regisseur schien etwas zu suchen.
    »Welche war Ihre Tür? Die hier?« Und er wies auf den Maschinenraum.
    »Ja.«
    »Ein größeres oder großes Zimmer?«
    »Nein, ein ganz kleines. Wenn ich meine Schranktür aufmachte, mußte ich die Zimmertür schließen und umgekehrt. Ich hatte auch eine Couch, einen winzigen Schreibtisch und einen Sessel. Mehr konnte man dort nicht unterbringen.«
    »Da müssen ja jetzt ganz tolle Maschinen da drinnen sein!« meinte der Tonmeister.
    »Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen«, sagte der Regisseur, »aber Sie können hier leider nirgends sitzen.«
    »Doch«, entgegnete ich und ließ mich auf dem Treppenabsatz nieder, »hier saß ich auch früher manchmal.«
    »Früher waren Sie aber etwas jünger«, bemerkte einer der Männer sachlich und bot mir eine helfende Hand an. Dann surrte die Kamera, und der Tonmeister sagte: »Jetzt.«
    »Sind Sie nach all den Jahren zum erstenmal wieder in dem Haus?«
    »Zum erstenmal.«
    »Und wie ist das?«
    Ja, wie ist das? Kann man in zwei Sätzen das Tohuwabohu in seinem Inneren schildern? Das Neben-, Mit- und Durcheinander von Bildern, Geräuschen, sogar Gerüchen (Pepek war ein guter Koch), auch Klängen (Mánička ließ für ihre Kunden oft überlaut ihr Grammophon an) oder die Stille, die nachts über die schweigenden Prager Dächer durch das offene Fenster hereindrang und sanfter wirkte als ein Wiegenlied?
    »Wie das ist? Sonderbar«, sagte ich, »ein bißchen unheimlich und sehr schön.«
    »Sie haben feuchte Augen«, bemerkte der Regisseur leise.
    »Das wundert Sie?«
    »Nein«, sagte er, »zum Glück strahlen sie gleichzeitig auch irgendwie.«
    »Maschinenraum«, brummte der Kameramann. »Hier sollten die Namen der Menschen angeschrieben stehen, die unter diesem Dach einmal gelebt haben.«
    Als die Arbeit beendet war, ließen wir uns von dem Aufzug hinunter transportieren, durchquerten den kleinen Korridor – und jemand hatte inzwischen das Haustorwieder zugesperrt. Von innen erwies sich der Schraubenzieher als nutzlos. Wir waren in der Nr. 7 eingeschlossen.
    »So ist es richtig«, meinte ich lachend. »Wieso wage ich es überhaupt, in ein Haus einzudringen, dessen Schlüssel ich seit einem halben Jahrhundert nicht mehr besitze. Bei meinen persönlichen Versuchen wollte man mich nicht hereinlassen, und jetzt will man mich anscheinend hierbehalten.«
    »Glauben Sie? Warum?«
    »Das weiß ich nicht. Vielleicht als Touristenattraktion: eine Pragerin mit unwahrscheinlicher Ausdauer.«
    Wir lachten, dann erklärte der Regisseur, er gehe Hilfe holen, und verschwand im Treppenhaus.
    Bald darauf hörten wir, daß irgendwo über uns eine Tür aufging, und vernahmen ein kurzes Gespräch. Gleich danach tauchte unser Regisseur wieder auf. Vor ihm trippelte eine Frau mit einem leicht klirrenden Schlüsselbund in der Hand. Als sie näher kam, wollte ich meinen Augen nicht trauen. Das war doch die rundliche Person, die sich kürzlich mit ihrer Fülle abweisend in der Haustür postiert hatte. Jetzt war sie eitel Sonnenschein, übersah mich geflissentlich, strahlte jedoch um so mehr meine drei Begleiter an, öffnete bereitwilligst die Haustür.
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen«, sagte der Regisseur. »Entschuldigen Sie die Störung und besten Dank.«
    »Aber ich bitte Sie«, wehrte die Frau ab, »so eine Kleinigkeit. Ich bin froh, dem Fernsehen geholfen zu haben.«
    So ist es! Der unwiderstehliche Charme des Fernsehens.
    »Sie machen ja so ein sonderbares Gesicht«, bemerkte der Regisseur, als wir auf die Straße traten. »Das kenne ich bei Ihnen gar nicht. Was ist los?«
    »Der rettende Engel im Treppenflur war eine der beiden Frauen, die mir vor ein paar Wochen den Eintritt in das Haus verweigert haben. Ich erzählte Ihnen davon.«
    »Die jetzt so freundlich war?« wunderte sich der Kameramann.
    »Ja. Es macht eben einen Unterschied, wenn man mit einer Eskorte von drei Männern erscheint, die noch dazu vom Fernsehen sind.«
    Darauf

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