Naerrisches Prag
lustig, für Prag sogar schmeichelhaft, keinesfalls unangenehm oder bestürzend. Aber der übernächste Laden in unserer Gasse!
Im nächsten wird Damenkonfektion angeboten, nicht der letzte Modeschrei, eher solide Kollektionen. Hermann Kisch hat Stoffe besserer Qualität auf seinen Regalen gehabt.
Der Stammgast im überirdischen Traumcafé runzelt die anspruchsvolle Reporterstirn. »Was soll dieser Quatsch? Willst du uns zu einer Stadtbesichtigung animieren?«
Wollte ich das, würde ich das übernächste Etablissement einfach übergehen, weil es so ganz und gar nicht in die Melantriška paßt. Den Eingang in einen etwas düsteren Raum, aus dem dumpfe Musik in die Straße quillt, kann man schwerlich übersehen. Aus schwülem Halbdunkel flimmert rot die vielversprechende Überschrift: »Sex Machine Museum«.
Ging man ein paar Schritte weiter und bog um die nächste Ecke, kam man jahrelang zu dem Café Milena, so benannt nach der Freundin Franz Kafkas, Milena Jesenská, das später einem modernen Etablissement weichen mußte. Wenn man sich jedoch von dem kuriosen Museum noch weiter entfernt, erreicht man das Altstädter Rathaus. An der rechten Seite des geräumigen Platzes steht das Gebäude, genauer das Palais, in dem eine Schule untergebracht war, wo der kleine Franz Kafka Lesen und Schreiben lernte. In diesem Raum schwebt schon jahrhundertelang etwas Besonderes in der Luft. Etwas nahezu Schicksalhaftes und sehr Menschliches. Sagenhafte Begebenheiten und erlebte Wunder.
Und nun? Maschinelle Manipulation mit Gefühlen? Gerade hier, gerade an diesem Ort?
Überrascht und auch ein wenig befremdet, stand ich eines Tages vor diesem Sex Machine Museum, das alte erotische Filme und erotische Kleidung (erotic dressing) anbietet und in drei Etagen über zweihundert Objekte zur Steigerung der Lust. Und noch viel mehr, wie im Vorraum auf kleinen Bildschirmen an der Wand in tschechischer, englischer und italienischer Sprache zu lesen ist. Das alles für ein Eintrittsgeld von 250 tschechischen Kronen. Vorläufig. Da unser Land in die Europäische Union aufgenommen wurde, bald wohl auch in der internationalen europäischen Währung.
»Wir haben für unser Vergnügen weiß Gott keine Sex Machines gebraucht«, vermeinte ich mit einemmal ganz deutlich die Stimme des einstigen und leider schon unerreichbaren Nachbars dieses Etablissements zu hören, die Stimme des rasenden Reporters, der das Leben vollauf zu genießen verstand. »Die Kunden einer solchen Einrichtung tun mir, nebbich, leid«, fügte er noch schmunzelnd hinzu.
Nach kurzem Zögern betrat ich das skurrile Unternehmen und studierte in der flackernden Beleuchtung des Vorraums die dort ausgestellten »erotischen Modelle« und sonstigen Schauobjekte Stück für Stück, um diese einzigartige Gelegenheit auch entsprechend auszukosten. Ein wenig im Hintergrund des Entrées stand ein junger Mann mit einem blonden, im Nacken zusammengeknoteten Haarschopf an der Kasse. Er betrachtete mich ein bißchen erstaunt, wahrscheinlich wegen meiner weißen Haare. Das amüsierte mich, und ich trat lachend näher an ihn heran, um ein Gespräch anzuknüpfen.
»Guten Tag. Ich sehe, Sie sind gut besucht, ständig kommt jemand. Ist das immer so oder bloß jetzt in dertouristischen Hochsaison und dazu noch an einem Sonnabend?«
»Wir sind immer frequentiert«, bemerkte er sachlich.
»Ihre Besucher sind vor allem Ausländer, wie ich gerade beobachten konnte?« erkundigte ich mich angesichts einer ansehnlichen Gruppe pausenlos hereinströmender Japaner.
»Nein, nein«, lautete die bereitwillige Antwort. Der Jüngling langweilte sich offensichtlich in dem halbdunklen Lokal mit den vielversprechenden Plakaten und Modellen und hatte nichts gegen ein kleines Gespräch. »Es kommen auch unsere Leute.«
»Jüngere oder ältere?«
»Alle«, erklärte er. »Weniger Frauen.«
»Interessant. Das Eintrittsgeld ist aber nicht gerade niedrig.«
Er lächelte, neigte sich mir ein bißchen zu und sagte: »Unseren Leuten geben wir Ermäßigungen. Zum Beispiel Studenten, auch älteren Besuchern.« Und mit einem verschwörerischen Zwinkern seiner blauen Augen fügte er hinzu: »Die Besichtigung führt durch drei Stockwerke, man kann dort wirklich allerhand sehen. Sie können sich das alles in Ruhe anschauen, Madame, kommen Sie doch bitte weiter, ich lasse Sie, ohne zu zahlen, herein, sehe ja, daß Sie unser Museum interessiert.«
»Besten Dank für Ihr freundliches Angebot, aber mein Interesse ist
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