Nahe dem wilden Herzen (German Edition)
Ihr ganzes Leben lang verheiratet sein wollen.«
Ein Anflug von Auflehnung überkam Lídia: Sie war kalt getroffen, genau am wunden Punkt.
»Ja. Jede Frau …«, gab sie zu.
»In meinem Fall nicht. Denn ich habe nie ans Heiraten gedacht. Und das Komische ist, dass ich mir immer noch ganz sicher bin, nicht verheiratet zu sein … Ich dachte mir das ungefähr so: Die Ehe ist das Ende, nach der Heirat kann mir nichts mehr passieren. Stellen Sie sich vor: immer jemanden an Ihrer Seite zu haben, keine Einsamkeit mehr zu kennen. – Mein Gott, nie mit sich selbst zusammen zu sein, nie. Und eine verheiratete Frau zu sein, das heißt ein Mensch mit einem vorgezeichneten Weg. Von da an braucht man nur noch auf den Tod zu warten. Ich dachte: Man hat nicht einmal mehr die Freiheit, unglücklich zu sein, weil man immer jemanden mit sich zieht. Jemand beobachtet einen immer, durchschaut einen, verfolgt alle Bewegungen. Und auch wenn man des Lebens müde ist, hat es doch eine gewisse Schönheit, die man allein in seiner Verzweiflung ertragen kann – dachte ich. Aber als Paar jeden Tag dasselbe Brot ohne Salz zu essen, die eigene Niederlage in der Niederlage des anderen zu erleben … Und das ohne mit der Last der Gewohnheiten zu rechnen, die sich in den Gewohnheiten des anderen widerspiegeln, die Last des gemeinsamen Bettes, des gemeinsamen Tisches, des gemeinsamen Lebens, in Vorbereitung und Androhung des gemeinsamen Todes. Ich habe immer gesagt: niemals.«
»Warum haben Sie dann geheiratet?«, fragte Lídia.
»Ich weiß nicht. Ich weiß nur, dass dieses ›ich weiß nicht‹ sich nicht speziell auf diesen Punkt bezieht, sondern der Grund der Dinge ist.« – Ich weiche der Frage aus, sie wird mich jetzt gleich auf diese Art ansehen, die ich schon kenne. »Ich habe sicher geheiratet, weil ich heiraten wollte. Otávio wollte mich heiraten. Das ist es, genau, ich habe es herausgefunden: Statt zu fragen, ob er, ohne verheiratet zu sein, mit mir zusammenleben könnte, hat er mir etwas anderes vorgeschlagen. Es wäre übrigens auf das Gleiche herausgelaufen. Und ich war dumm, Otávio sieht gut aus, nicht wahr? an mehr habe ich nicht gedacht.« – Pause – »Wie begehren Sie ihn: mit dem Körper?«
»Ja, mit dem Körper«, stammelte Lídia.
»Das ist Liebe.«
»Und Sie?«, wagte Lídia sich vor.
»Nicht so sehr.«
»Aber er hat mir gesagt, ganz im Gegenteil …«
Lídia hatte sich unterbrochen. Sie betrachtete sie aufmerksam. Wie unerfahren Joana erschien. Sie sprach mit einer solchen Schlichtheit und Klarheit von der Liebe, weil sich ihr durch sie bestimmt noch nie etwas offenbart hatte. Sie war noch nicht in ihre Schatten gefallen, sie hatte noch nicht ihre tief gehenden, geheimen Verwandlungen erfahren. Denn sonst würde sie sich, wie sie selbst, fast schämen über so viel Glück, sie würde wachsam an ihrer Tür stehen und das vor dem kalten Licht beschützen, das nicht versengt werden durfte, um weiter am Leben zu bleiben. Und dennoch, Joanas Lebhaftigkeit … was sie aus Otávios Bemerkungen herausgehört hatte … dass es Leben in ihr gab … Aber ihre Liebe bot keinen Schutz, nicht einmal für Joana selbst, das spürte Lídia. Unerfahren, unversehrt, unberührt konnte man sie fast für eine Jungfrau halten. Lídia betrachtete sie und versuchte sich zu erklären, was in diesem Gesicht schwankte und was klar war. Gewiss verband die Liebe sie nicht einmal mit der Liebe. Während sie selbst, Lídia, fast augenblicklich nach dem ersten Kuss zur Frau geworden war.
»Ja, schon, aber das ändert nichts«, fuhr Joana gelassen fort. »Ich mag ihn auch, auf eine kältere Art, wie ein Geschöpf, wie einen Menschen.« Ob sie jetzt wieder so ängstlich erstaunt und demütig gucken wird: Oh, weil du von schwierigen Dingen sprichst, weil du Ungeheures anstößt in einem Augenblick, wo alles so einfach ist. Verschone mich, verschone mich. Aber diesmal bin ich schuld, weil ich tatsächlich gar nicht weiß, was ich eigentlich sagen wollte. Nun, nur so werde ich sie bezwingen.
Lídia zögerte:
»Ist das nicht mehr als Liebe?«
»Das kann sein«, sagte Joana überrascht. »Was zählt, ist, dass es keine Liebe mehr ist.« Und plötzlich ist da diese Erschöpfung, das große »wozu«, das mich einhüllt, und ich weiß, dass ich etwas sagen werde. »Nehmen Sie Otávio. Bringen Sie Ihr Kind zur Welt, seien Sie glücklich und lassen Sie mich in Frieden.«
»Wissen Sie, was Sie da sagen?«, rief sie aus.
»Ja, natürlich.«
»Sie
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