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Nahe Null: [gangsta Fiction]

Nahe Null: [gangsta Fiction]

Titel: Nahe Null: [gangsta Fiction] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathan Dubowitzki
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gefehlt.
    »Was ist das?«, verlangte Zarathustrotschka die Wahrheit. Multik zeigte sie ihr.
    »Und damit bin ich die ganze Zeit rumgelaufen!«, explodierte seine Freundin leise. »Wie lange? Seit ich aus dem Auto ausgestiegen bin ... Bis jetzt! Und wir ... Du hast mich Schekelberg vorgestellt ... Was wird er jetzt von mir denken? Und ich hab mich gewundert, dass seine Silikontussi dauernd so grinst... Und mit den Kamarinskis haben wir gesprochen und mit Irka; und Lenka ... Ach, mein Gott, was wird Lenka sagen!! Warum hast du nicht ...? Sag bloß, du hast es nicht gesehen? Du beachtest mich überhaupt nicht, hast nur Augen für diese Schlampen, du Schwein ...«
    »Nadja, verzeih mir, Nadja, hör auf«, beschwor der Sekretär die kochende Zarathustrotschka, und Jegor nutzte die Chance, machte einen Satz nach rechts, durchbrach die Blockade und verschwand im zunehmenden Dunkel des Kinosaals.
     

26
    Das Licht erlosch, und auf der Leinwand erschien »Ende«, »ein Film von Albert Mamajew«, »Trügerische Dinge«, »es spielen«, »Ilja Rosowatschow«, »Jefim Proworski«, dann noch etwas und noch etwas, und schließlich »sowie« - »Plaksa«. Der Titel des Films kam Jegor bekannt vor. Aber vielleicht irrte er sich. Jegor rückte seine Krawatte zurecht (Plaksa war sehr pedantisch, was Krawattenknoten anging), setzte sich aufrecht hin (Plaksa mochte es nicht, wenn er krumm saß), starrte auf die Leinwand und wartete auf Plaksa.
    Das Warten wurde ihm lang und war vor allem öde. Der Film war in satten Farben gedreht, ein Glanzbild, das die abgenutzte, unscheinbare Realität zum Fest einer schnell verblassenden, aber zwei Stunden lang wild und wundervoll blühenden Halluzination wandeln sollte. Der Film blühte bunt und formlos, spreizte sich, schäumte, brodelte - unverständlich, worüber. Es brodelte mal in der Schweiz, mal in Massachusetts, und für begriffsstutzige Zuschauer wie Jegor wurde bei jeder neuen Landschaft »Massachusetts« oder »Schweiz« als Untertext eingeblendet. Irgendein Mann, dessen Name nie genannt wurde (oder Jegor hatte ihn überhört), schrieb und las abwechselnd irgendetwas; sein Lesen und Schreiben wurde mit Schweizer, nordamerikanischen und merkwürdigerweise arktischen Postkartenansichten gereicht und mit abgestandenen tiefsinnigen Gedanken aus dem Off übergössen. Hin und wieder hörte der Mann auf zu lesen und aß, trank auch mal, höchst selten erörterte er das Gelesene oder das Gegessene mit einer episodischen Figur, die jeweils sofort wieder verschwand und im Film nie wieder auftauchte. Einmal bekam der Mann einen Zettel, entfaltete ihn in ganzer Leinwandbreite, und alle sahen nun, dass darauf geschrieben stand: »Mister R. ist jede Erwähnung von Miss Moore und ihrer Mutter unangenehm.« Und diese Großaufnahme peinigte die Augen der Zuschauer zehn Minuten lang. Plaksa hingegen kam und kam nicht. Jegor begann sich schon zu langweilen und rutschte auf seinem Sitz hin und her, doch sein verschwommener Nachbar zur Linken, vermutlich ein Kenner des »Besonderen Kinos« auf ähnlichem Niveau wie Zarathustrotschka, tröstete ihn herablassend: »Gedulden Sie sich; bei Mamajew gibt es immer eine Überraschung. Er zieht es absichtlich hin, um die Wirkung zu verstärken.«
    Und Mamajew zog es hin, es dauerte noch vierzig Minuten, bis endlich Plaksa auf der Leinwand erschien. Jegor setzte sich noch aufrechter hin und richtete seine perfekt sitzende Krawatte. Sie war wunderbar! Sie stieg in einen Schweizer Eisenbahnwaggon, in dem auch der lesende Mann saß. Auch sie las. Sie unterhielten sich über ihr Buch. Sie sagte, das merkte sich Jegor, sie möge Bücher über Gewalt und über fernöstliche Weisheit. Dann heirateten sie. Dann stiegen sie in einem unbekannten Hotel ins Bett. Er vögelte sie eine geschlagene Stunde, ungekürzt. Ihr, so schien es Jegor, gefiel bei weitem nicht alles, was er mit ihr machte. »Na also, es geht los. Hab ich doch gesagt«, brüstete sich der schemenhaft erkennbare Kommentator zu seiner Linken.
    Dann schliefen die Filmhelden ein. Der Mann erwachte als Erster und machte sich daran, seine Frau zu würgen. Er würgte sie lange, von hinten und ohne Eile. Der Kameramann richtete seine Aufmerksamkeit allerdings weniger auf ihn als auf Plaksa. Er zeigte ihren verzerrten Mund, den zusammengedrückten Hals, das dunkelrote, dann erbleichende und schließlich blau anlaufende Gesicht mit den herausquellenden Augen, die heraushängende Zunge, die kraftlosen Arme.
    Plaksa war

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