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Nahe Null: [gangsta Fiction]

Nahe Null: [gangsta Fiction]

Titel: Nahe Null: [gangsta Fiction] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathan Dubowitzki
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liefen Horden von Tadshiken mit Eimern voller Asbest und Möbelstapeln herum; verirrte Geliebte und entfernte Verwandte, auf einen Sprung geschäftlich vorbeigekommene und nie wieder gegangene Juniorpartner huschten umher; es gab Leibwächter, kleine Diebe, irgendjemandes Hunde und selbst einen alten Papagei, der wie viele Moskauer Ureinwohner nicht nach Shulebino ziehen wollte und darum immer wieder zurückkehrte, sooft er auch vertrieben wurde.
    Die Wohnungseinrichtung hatte, genau wie vor Jahren, etwas von einem Lagerraum, einem Büro oder einer als Liebesnest angemieteten konspirativen Wohnung. Der Krempel war moderner und wesentlich teurer, lag und stand aber wie damals in Haufen herum und machte einen keineswegs burgundischen, sondern einen durchaus mittelrussischen Eindruck. Der Raum erinnerte an die meisten unserer Städte, Dörfer und Häuser, wo alles aussieht, als wären die Menschen gerade erst eingezogen und hätten sich noch nicht eingerichtet, sich noch nicht richtig eingelebt. Oder aber als wären sie im Gegenteil des Lebens hier seit langem bis zum Ekel überdrüssig und säßen, diesen Ort verfluchend, seit dreihundert Jahren auf gepackten Koffern, Bündeln und Truhen, bereit, jeden Moment aufzubrechen, sich jeden Augenblick zu erheben und fortzulaufen, immer der Nase nach, in alle vier Winde, und blickten um sich wie unfreiwillige Gäste einer hässlichen, tristen und verwahrlosten Wirtschaft. Der Dreck wird nicht von der Straße geräumt, die Häuser werden schludrig gebaut, als wären sie nicht zum Darinleben gedacht, sondern nur als Übergangsquartier; für einen Spielplatz, für jede Kleinigkeit für das Gemeinwesen wird mit jeder Kopeke geknausert, für diese Kopeke betrinken sie sich lieber mit etwas Giftigem und essen dazu etwas Verdorbenes, Scheußliches. Mit dunkelroten Gesichtern und schielenden Augen starren sie dann über den Straßendreck, über den halbfertigen Spielplatz und einen umgekippten, mit Obszönitäten bekritzelten Zaun hinweg in die leere Ferne; sie bleiben auf ihrer Seite und schimpfen und singen und weinen wie Gefangene an den babylonischen Gestaden.
    Chief war zu Hause, wunderte sich kein bisschen über den Anruf von Jegor, von dem er seit langem nichts gehört hatte, und lud ihn sofort zu sich ein. Von den sieben erstgeweihten Brüdern der Schwarzen Büchermagie waren noch zwei bei ihm geblieben; die Übrigen, einschließlich Jegor, hatten sich nach und nach ohne Erklärungen und Kommentare abgesondert, machten jeder seins, gehörten jedoch noch immer zur Bruderschaft und hatten sich, obgleich sie Chief insgeheim längst nicht mehr als ihren Boss ansahen, nie offiziell von ihm gelöst. Der Boss seinerseits ließ sich ebenfalls nichts anmerken und hatte keine Eile, mit den Abtrünnigen abzurechnen. Einerseits, weil er die Schwäche der Bruderschaft nicht öffentlich machen und keinen Überfall der Konkurrenten provozieren wollte. Zum Beispiel der »Krokodealer«, blutrünstiger und wilder Abkömmlinge der Leserbriefabteilung der legendären Satirezeitschrift, die hundert Prozent des Absatzes der Botanik-und Zoologie-Lehrbücher hielten und wie die Schakale neidisch um die von den Büchermagiern kontrollierten üppigen Märkte herumschlichen; oder der »Jasnopoljaner«, Banditen vom Lande, mit denen die Bruderschaft seit Urzeiten Krieg um die Gewinne aus der russischen Klassik führte. Es war ein anstrengender, erschöpfender Krieg, der erst kürzlich beendet worden war und dessen Wiederaufleben niemand wollte. Andererseits war Chief, wie jeder Boss, tief im Inneren überzeugt, dass seine auseinandergelaufenen Vasallen ohne ihn nicht zurechtkommen, herumpfuschen, eine Niederlage erleiden und schließlich zurückkommen würden. Darum wunderte er sich nicht über Jegors Besuch, er empfing ihn in einem schon fast vollständig verputzten Zimmer mit zwei Erkern, protzigen Mahagoni-Bücherschränken, einem trällernden Tadshiken auf dreckigen Malerböcken, der die letzte Ecke verputzte, und zwei Psychoanalytiker-Couchen, zwischen denen ein Tisch aus Marmor und Malachit stand, übersät mit diversen teuren Nippes, als da waren: Zigarrenraritäten aus den sechziger Jahren, Flaschen von erlesenstem Scotch, Kristallgläser mit Foie gras; Uhren aus Platin, Gold und antikem Silber, Armband-, Tisch- und Taschenuhren; Krawattennadeln und Geldklammern, exorbitant teure Kugelschreiber und Bleistifte; Statuetten, Schachspiele, Globen, Aschenbecher, Schreibtischgarnituren, kleine

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