Nahe Null: [gangsta Fiction]
Probleme mit neuen Schauspielern.«
»Wer ist der Regisseur Albert Mamajew?«, fragte Jegor entsetzt.
»Das wissen wir nicht genau. >Kafka's Pictures< sitzt in den Bergen, irgendwo im Süden. Dort arbeitet er.«
»Kann man dieses Studio finden?«
»Im Süden kann man für Geld alles«, sagte Jana.
»Hör zu, Sarah. Wenn du wirklich eine Tschekistin bist - du weißt von einer Bande reicher Perverser, du behauptest, das Studio, in dem sie zu ihrem Vergnügen unschuldige Menschen quälen und töten, ließe sich mit etwas Geld mühelos ausfindig machen. Warum nehmt ihr, du und deine Tschekistenbande, diese Dreckskerle dann nicht gleich morgen fest, so um sieben oder sieben Uhr dreißig? Was hindert euch?«, fuhr Jegor Jana an, leise, um die ihren Salat knuspernden Stars nicht zu stören. »Nicht genug Geld, oder was? Wie viel, sag es mir!«
»Schrei nicht so, cool down fucking honey«, lachte Jana spöttisch. »Erstens bist du selber ein Tschekist, so nennt man euch von der Bruderschaft des Schwarzen Buches doch im einfachen Volk. Zweitens wissen wir auch über eure Bruderschaft eine ganze Menge. Weit mehr übrigens als über diese Filmleute, aber ihr lauft frei rum, und nichts passiert.«
»Und warum laufe ich frei rum? Verhafte mich!«
»Cool down, chill out«, schnurrte Jana, die ihren Abdallah mit dem Rücken zu sich gedreht hatte und ihn hinter den Ohren kraulte wie einen riesigen anschmiegsamen, toten Kater. »Wir wissen die ganze Wahrheit über dich, aber damit kann man nicht vor Gericht. Das Gericht will Indizien, keine Wahrheit. Das zum Ersten. Außerdem sind wir die Macht. Echte Macht kann man nicht einsetzen, ebenso wenig wie die Atombombe. Wir lenken, ohne uns einzumischen. Wir sorgen für Ordnung und bleiben dabei unsichtbar. Das zum Zweiten. Wie die Chinesen sagen: Die Macht ist ein Drache im Nebel.«
»Von den Chinesen und ihren Drachen hab ich keine Ahnung, aber Nebel sehe ich wirklich eine Menge. Ihr mischt euch nicht ein, weil ihr selber bei uns mit drinhängt«, entlarvte Jegor. »Mit Geld, mit Blut und, wie sich jetzt herausstellt, auch noch mit Sex.«
»Werd nicht unverschämt, Darling. Unsere Einmischung wäre verheerend. Wir kennen so viele schmutzige Geheimnisse, wenn wir die alle auf den Tisch legten, würde das gesamte führende Pack dieses und nicht nur dieses Landes platzen wie eine Seifenblase, Dreck und Fäulnis ausdünstend. Und mit ihm würden die ganze Gesellschaft und der Staat sich auflösen, den Bach runtergehen. So traurig es klingt, Korruption und organisierte Kriminalität sind ebenso tragende Elemente der sozialen Ordnung wie Schule, Polizei und Moral. Nimm sie weg, und das Chaos bricht aus. Also lauf ruhig weiter frei rum, Tschekist.«
»Wo ist Mamajew? Du rauchst? Das wusste ich gar nicht. Wo ist Mamajew?«
Jana zündete sich eine Zigarette an und sprach in Sarahs Singsang:
»Ja, ich rauche. Mamajew wohnt mal in Moskau, mal in Petersburg. Aber drei, vier Monate im Jahr verbringt er in seinem Studio im Süden. Was ich dir jetzt verrate, ist ein Staatsgeheimnis. Ich tue es, weil Igor mich gebeten hat und weil ich ... weil ... kurz, weil ich mich mit dir wohl gefühlt habe.«
»Sarah ...«
»Der Süden wird vom Chasarischen Khaganat kontrolliert. Schon seit rund tausend Jahren. Die nationalen Republiken dort, ihre Parlamente, Gerichte, die Porträts von Präsidenten und Premiers, ihre Verwaltungsbezirke, Wahlen und Milizionäre das ist alles Fiktion, Imitation. Unter der Sowjetmacht waren die örtlichen Parteiorganisationen, Sowjets, Lenin-Büsten und Exekutivkomitees solche Imitationen. Real aber herrschten und herrschen damals wie heute wie auch unter den Zaren im Süden immer die Chasaren, ein kleines, geheim gehaltenes Volk, das jenseits des Elbrus lebt. Sie legen die Grenzen fest, schlichten Streitfälle, teilen Geld und Posten unter den Ethnien und Clans auf. Sie sind so schlau, kriegerisch und starrsinnig, dass sogar die Tschetschenen sie respektieren. Natürlich sind sie nicht stark genug, um Russland zu übergehen, um alles selbst zu entscheiden. Aber stark genug, dass keine einzige Frage ohne sie entschieden wird. Zwischen Russland und Chasarien wurde vor zweihundert Jahren ein bis heute gültiges Geheimabkommen geschlossen, nach dem sich das Khaganat als Gegenleistung für Subventionen und militärische Unterstützung als Teil des Reichs/der Union/der Föderation ausgibt und keinen ihrer geopolitischen Gegner unterstützt. Die Chasaren kennen im Süden
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